Geld als Waffe

KRISE Ab Donnerstag tagen in Seoul die Regierungen der 20 mächtigsten Wirtschaftsnationen. Thema wird die Gefahr eines Währungskrieges sein. Eines was bitte? Eine Erläuterung

■  Der Termin: Am 11. und 12. November findet im südkoreanischen Seoul der G-20-Gipfel statt, das Treffen der Staats- und Regierungschefs der zwanzig stärksten Wirtschaftsmächte.

■  Die Themen: Die Teilnehmer wollen über das Ende des Währungsstreits, also die Verhinderung eines Währungskrieges sprechen. Weiter wird es um den Aufbau eines globalen Finanzsicherheitsnetzes gehen, die Reform des Internationalen Währungsfonds sowie die Entwicklung ärmerer Länder.

■  Wer kommt: Deutschland als zweitgrößte Exportnation der Welt wird durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vertreten.

VON HANNES KOCH

Was ein Krieg ist, meint man sich vorstellen zu können. Auch beim Stichwort Kalter Krieg weiß man Bescheid. Aber Währungskrieg? Wer, bitte schön, führt den denn gegen wen – und vor allem wie?

Um einen Währungskrieg zu verhindern, trifft sich am Donnerstag und Freitag der Polit-Jetset in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Anlass für den Auflauf tausender Regierungsangestellter, Berater und Medienvertreter ist der G-20-Gipfel, die turnusgemäße Konferenz der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen. Zu ihnen gehören unter anderen die USA, China, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Indien, Brasilien, Indonesien und Südkorea.

Dass man zum Kriegführen Geld braucht, ist ja klar. Wie jedoch lassen sich Währungen in einem Krieg einsetzen? Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega hat mächtig auf die rhetorische Tube gedrückt, als er Ende September vor einem „globalen Währungskrieg“ warnte. Sagen wollte er damit: China, die USA und Japan schaden Brasilien und anderen Ländern, wenn sie den Wert ihrer Währungen künstlich gering halten oder sogar drücken. Angenommen, es kämen noch mehr Staaten auf diese Idee, so Mantega, könnte die Weltwirtschaft bald erneut gefährlich ins Trudeln geraten.

Hier ein Beispiel. Nicht nur die brasilianische Regierung, auch die US-amerikanische und die deutsche beschweren sich seit Jahren in Peking über die Unterbewertung der chinesischen Währung. Ein Renmimbi ist gegenwärtig etwa 11 Euro-Cent wert. Eigentlich, so die Kritik, müsste der Renmimbi jedoch mindestens 13 Cent wert sein. Auf diesen höheren Wert würde sich das chinesische Geld einpendeln, so die These, wenn Peking die Währungshändler entscheiden ließe. Deren Annahme lautet: Die chinesische Wirtschaft ist so stark und der Renmimbi deshalb so attraktiv, dass die Währung diese Stärke in Form eines höheren Geldwertes reflektieren müsste.

Chinas Regierung aber möchte die Aufwertung ihrer Währung nicht zulassen. Der Grund ist einfach: Bleibt der Renmimbi unterbewertet, sind in China hergestellte Adidas-Shirts und Apple-iPhones auf dem Weltmarkt billiger und verkaufen sich besser. Die billigen Exporte aber machen den Waren aus Amerika und Europa Konkurrenz. Die wirtschaftliche Stärke Chinas korrespondiert mit der ökonomischen Schwäche vor allem der USA. Deswegen verlangt Washington vehement, die chinesische Nationalbank solle den Wert des Renmimbi anheben. Geschieht das nicht, heißt es in der US-Regierung, müsse man Handelsbeschränkungen für chinesische Importe und Investoren einführen.

Angebot gegen Nachfrage

Diese Drohungen waren nicht nur Wahlkampfsprüche vor den Kongresswahlen. Sie zeigen, wie schlecht es der US-Wirtschaft geht. Konzerne wie Microsoft, Google und Apple sind zwar Weltmarktführer. Produzieren lassen sie aber oft im Ausland, nicht zu Hause. Dort steigt die Arbeitslosigkeit.

Als ein Mittel, dieser Misere zu begegnen, betrachtet die US-Nationalbank Fed ihre eigene Währung, den Dollar. Je niedriger der Außenwert des Dollar im Vergleich zu Renmimbi, japanischem Yen und Euro ist, desto günstiger sind US-Produkte auf dem Weltmarkt.

Auch deshalb hat Fed-Chef Ben Bernanke direkt nach den Kongresswahlen veranlasst, dass die Notenbank 600 Milliarden Dollar in den Wirtschaftskreislauf der Vereinigten Staaten pumpt. Zuvor hatte die Fed in den vergangenen Jahren US-Banken und Konzernen große Mengen wertloser Wertpapiere abgekauft. Man kann sagen: Die US-Nationalbank druckt Dollar und hält durch dieses Überangebot den Wert ihrer Währung künstlich niedrig.

Billigere Häuser? Der Kollaps des US- Immobilienmarktes während der Finanzkrise lässt grüßen

Dies wiederum stört Berlin und andere europäische Regierungen. Liegt nämlich der Wert des Dollars zu niedrig, bedeutet das umgekehrt, dass der Wert des Euro zu hoch ist. Viele Ökonomen halten die europäische Währung mit dem aktuellen Kurs von 71 Euro-Cent pro Dollar für überbewertet. Die Folge: Europäische Produkte und Dienstleistungen sind außerhalb des Euroraumes teurer, als sie sein sollten. Das ist weniger ein Problem für Deutschland als zweitgrößten Exporteur des Globus, eher für schwächere Volkswirtschaften wie Griechenland, Italien, Spanien und Irland.

Hinzu kommt: Transnationale Banken, Fonds und Investoren versuchen, die zu großen Mengen zu billiger Renmimbi und Dollar überall auf der Welt anzulegen, unter anderem in erfolgreichen Schwellenländern wie Brasilien. Die brasilianische Regierung hat deshalb nicht nur Sorgen wegen billiger Importe, die heimischen Unternehmen das Leben schwer machen, sondern auch wegen des möglichen Entstehens einer Finanzblase. Strömt zu viel Geld ins Land, besteht die Gefahr, dass beispielsweise die Preise für Immobilien stark steigen, um später krisenartig zusammenzubrechen – der Kollaps des US-Immobilienmarktes während der Finanzkrise lässt grüßen.

Und wie kann sich die brasilianische Regierung gegen den Zustrom billigen ausländischen Kapitals und preisgünstiger Produkte wehren? Es wäre möglich, den brasilianischen Real künstlich abzuwerten oder Importbeschränkungen für Kapital, Dienstleistungen und Güter aus dem Ausland einführen. Das nennt man „Protektionismus“ – ein Phänomen, vor dem die liberalen Verfechter des freien Welthandels große Angst haben. Denn Protektionismus beinhaltet die Gefahr, dass die Unternehmen aus dem eigenen Land nicht mehr ungehindert ihren weltweiten Geschäften nachgehen können – eine Vorstellung, die weder der chinesischen noch der US-amerikanischen, der deutschen oder einer anderen G-20-Regierung gefällt.

So betrachtet, bedeutet die Warnung vor dem „Währungskrieg“ dies: Leute, seid nicht zu egoistisch, denkt mal nach, was eure Währungspolitik für die Konkurrenz bedeutet. Wenn ihr das nicht tut, greifen wir zu ähnlichen Mitteln wie ihr. Dann habt ihr bald selbst den Schaden. Und dann gibt’s Krieg.