: Marschieren für den Frieden
Krieg bricht nicht aus, Krieg wird gemacht, sagen die Veranstalter des Berliner Ostermarschs. Dieser startet am Karsamstag um 12 Uhr am Bahnhof Friedrichstraße
„Krieg wird gemacht – Wir stellen uns dagegen“.
■ Samstag, 19. April
Start: 12 Uhr, Treffpunkt: Weidendammbrücke, Friedrichstraße/ Schiffbauerdamm beim S- und U-Bahnhof Friedrichstraße
■ Im Netz: www.frikoberlin.de
Man möchte meinen, die späten fünfziger Jahre, die Geburtsstunde der traditionellen Ostermärsche, seien Geschichte, belanglos und vergangen. Der Kalte Krieg war noch jung, die Bundesrepublik gerade erst dabei, sich fest ins westliche Staatenbündnis zu integrieren. Aufrüstung und nukleare Abschreckung bestimmten die Verteidigungspolitik beider Blöcke. Doch mehr als ein halbes Jahrhundert später scheint der Konflikt in seinen Grundzügen noch immer nicht überwunden. Die Nato gewinnt wieder an Bedeutung, und nach Russlands Muskelspielen auf der Krim fordern deutsche Politiker mehr Nato-Präsenz in Osteuropa. Auch wenn Warnungen vor einem neuen Kalten Krieg überzogen sein mögen – das Klima der Kooperation hat sich gewandelt, es riecht wieder nach Konfrontation.
„Wir stellen uns dagegen“, rufen deshalb die Friedensaktivisten zum diesjährigen Berliner Ostermarsch, der sich am Karsamstag von der Weidendammbrücke nahe Bahnhof Friedrichstraße in Richtung Unter den Linden in Bewegung setzen wird. „Krieg wird gemacht“, so lautet das offizielle Motto der Großdemonstration. Es sei höchst gefährlich, „wie Putin als Buhmann in die Ecke gestellt wird“, findet Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination Berlin, die den Marsch veranstaltet. Natürlich müssten Russlands Verstöße gegen das Völkerrecht aufmerksam verfolgt werden, doch mit ihrer Stimmungsmache gegen Russland betrieben Medien und Politik ein Spiel mit dem Feuer. „Entmilitarisierung der EU!“ lautet eine der Parolen der Friedensbewegung in diesem Jahr, „Raus aus der Nato!“ eine andere.
Eine „Absage an Konfrontation“ und eine Wende „hin zu Entspannungspolitik“ fordert auch Reiner Braun von der Friedensinitiative Ialana, der für Karsamstag als Redner auf dem Ostermarsch eingeplant ist. „Die neue Konfrontationspolitik beinhaltet logischerweise eine Aufrüstungswelle“, argumentiert er. Das führt ihn zum nächsten Kernthema des diesjährigen Ostermarschs: „Diese Konfrontationspolitik lässt sich in Europa nur durchsetzen durch eine starke innere Militarisierung.“ Werbeveranstaltungen von Jungoffizieren an Schulen will er verboten sehen. „Die Bundeswehr hat an Schulen nichts zu suchen“, sagt er, „Lehrer sind in der Lage, den Schülern Themen wie Armee, Krieg oder Abrüstung eigenständig zu vermitteln“.
Auch beim Thema Syrien stellen sich die Kriegsgegner gegen jegliche Einmischung, die auch nur am Rande militärische Mittel erfordert. Die deutschen Patriot-Abwehrraketen an der türkisch-syrischen Grenze wollen sie mitsamt Personal abgezogen sehen. „Was sollen Patriots an einer solchen Grenze?“, fragt Braun. „Das Zeug sollte schnellstens wieder nach Hause gebracht werden.“
Wie sich die Bundesregierung freilich für eine, wie es im Aufruf heißt, „massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten“ einsetzen soll, lassen die Veranstalter, zu deren Unterstützern auch die Berliner Linkspartei ist, offen. In der vergangenen Woche erst hatten sich die Linken-Abgeordnete im Bundestag mehrheitlich gegen die geplante marginale Beteiligung einer Bundeswehrfregatte bei der Neutralisierung syrischen Giftgases auf dem Mittelmeer ausgesprochen.
Auch Organisatorin Laura von Wimmersperg sieht „keine Notwendigkeit, dass ein deutsches Kriegsschiff dabei ist“. Eine Beteiligung im Mittelmeer müsse nicht, „aber kann ein Einfallstor sein für weiteres kriegerisches Engagement“.
Doch nicht nur gegen Bundeswehreinsätze und Militarismus wollen die Pazifisten marschieren. Auch der seit bald einem Jahr wütende NSA-Skandal ist zentrales Thema des Ostermarschs. „Schluss mit der Schnüffelei!“ und „Freiheit für die Whistleblower!“ fordern die Veranstalter. Nicht die Geheimnisverräter gehörten auf die Anklagebank, sondern die, die für die aufgedeckten Verbrechen verantwortlich sind.
Mehr als 30 Organisationen unterstützen den diesjährigen Aufruf. Neben der Linkspartei sind Attac, die AG Frieden der GEW sowie verschiedene Menschenrechts- und Friedensinitiativen dabei. Ob dieses Jahr mehr Friedensbewegte demonstrieren werden als an Ostern 2013, als in Berlin nur knapp 1.000 Menschen kamen? Von Wimmersperg ist zuversichtlich: „Wenn so scharfe Dinge passieren wie in den letzten Monaten“, sagt die Organisatorin mit Blick auf die Ukrainekrise, „dann sind die Menschen wieder auf der Straße.“
Vor diesem Hintergrund ist ein Lied der frühen Ostermarschbewegung auf einmal wieder ganz aktuell: „Marschieren wir gegen den Osten? Nein! Marschieren wir gegen den Westen? Nein! Wir marschieren für die Welt, die von Waffen nichts mehr hält, denn das ist für uns am besten!“ JANNIS HAGMANN