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Archiv-Artikel

Ein allzu aktiver neuer Rivale

Carl Bildt, Außenminister der neuen konservativen Regierung Schwedens, will in der EU eine aktive Rolle spielen und dürfte sich dazu unterschiedliche Allianzen suchen

STOCKHOLM taz ■ Am Freitag werden die EU-Regierungschefs im finnischen Lahti einen neuen Kollegen begrüßen können: Schwedens konservativen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt. Eine aktive und treibende Rolle werde Stockholm künftig in Europa spielen, hatte dieser in seiner Regierungserklärung angekündigt: Man wolle zum Kern der EU gehören. Schweden, um das es nach dem Tod von Außenministerin Anna Lindh und dem Mehrheits-Nein bei der Euro-Volksabstimmung recht still geworden war, meldet sich also in Brüssel zurück. Dafür garantiert allerdings nicht unbedingt der Regierungschef selbst, dem ein ausgeprägtes Desinteresse an Außenpolitik nachgesagt wird, sondern Carl Bildt.

Der ehemalige Regierungschef gab als neuer Außenminister am Dienstag sein Entree in Brüssel. Dort setzte er sich gleich an die Spitze der Russlandkritiker unter seinen KollegInnen. Schweden bezieht kein russisches Gas und hat also keine Rücksichten zu nehmen, die mit der möglichen Sicherheit der Energieversorgung zusammenhängen. Und mit dem Schweden Bildt taucht im politisch schwächer gewordenen Gremium der AußenministerInnen wieder ein Politiker auf, der gerne langfristig und strategisch denkt. Nicht nur seine Kollegen aus den drei großen Mitgliedsländern, sondern auch Javier Solana könnten Bildt schnell als allzu aktiven Rivalen empfinden.

Carl Bildt mag von seinem ideologischen Hintergrund her ein eingefleischter Neoliberaler sein, außenpolitisch wird er seine Verbündeten eher am anderen Ende des Parteienspektrums suchen. Was die EU-Erweiterung angeht, bei der für ihn nach der Türkei auch die Ukraine auf der Tagesordnung steht, dürfte er sich mit linken Kollegen wie Finnlands Erkki Tuomioja und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn eher einig fühlen als mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso oder Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Zum Thema Nahost ist Bildt durchaus mit Israel-Kritik aufgefallen und wird hier ebenso wie zu den Themen Balkan, Darfur oder Kongo zu den Befürwortern einer aktiven EU-Politik gehören. Die Regierung Reinfeldt hat bereits das Verteidigungsbudget deutlich erhöht, um mehr Soldaten für internationale Einsätze bereitstellen zu können.

Was das Schicksal der EU-Verfassung oder gar eine Euro-Einführung angeht, dürfte Stockholm zurückhaltend agieren. Die EU-Skepsis in der schwedischen Bevölkerung hat sich durch den Regierungswechsel nicht plötzlich verändert. In vielen sozial- und umweltpolitischen Fragen werden rot-grüne Vertreter in Brüssel bald merken, dass man mit Schwedens Sozialdemokraten einen wichtigen Mitstreiter verloren hat. REINHARD WOLFF