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Archiv-Artikel

Wie eine Träne im Ozean

Aus einem jungen Goldfisch soll ein leidenschaftlicher Menschenretter werden: Andrew Davis’ nasses Rettungsschwimmerdrama „The Guardian – Jede Sekunde zählt“

Mayday, mayday! Kevin Costner und Ashton Kutcher retten Menschen in Seenot. In Andrew Davis’ neuem Actionfilm „The Guardian – Jede Sekunde zählt“ hält der alte Rettungsschwimmer Ben Randall (Kevin Costner) den Rekord: An die 200 verloren geglaubte Seelen hat er aus den computeranimierten Fluten gezogen. Dazu trägt der graumelierte Held Schwimmweste, Wollmütze, Helm und Schnorchel und seilt sich von Helikoptern über dem wilden Beringmeer in die eiskalte Tiefe ab. Bei diesen spektakulären Einsätzen riskiert er Kopf und Kragen, sehr zum Ärger seiner Frau. Randall paddelt lieber durch die tosende See, als den Lebensabend mit ihr zu verbringen.

Dafür muss er bitter bezahlen. Bei einem Rettungseinsatz stürzt der Helikopter mit Randalls Team in einer gewaltigen Explosion ins Wasser. Der alte Rettungsschwimmer ist der einzige Überlebende. Fortan kämpft er mit Gewissensbissen, hat Albträume, und seine Frau verlässt ihn. Ein Vorgesetzter suspendiert ihn vorübergehend vom Dienst: „Weißt du, du kannst nicht immer der im Wasser sein.“

Randall knurrt, bevor er als Ausbilder nach Elizabeth City geschickt wird. An der Coast Guard Rescue School soll er die Besten der Besten trainieren, darunter den jungen Schwimmchampion Jake Fischer, genannt „Goldfisch“ (Ashton Kutcher). Im Pool werden die jungen Männer und eine Alibifrau auf ihre Tauglichkeit getestet. Die Bedingungen sind hart. Wie bei „Big Brother“ wird immer wieder mal einer unter Tränen nach Hause geschickt. Zu Beginn machen die Ausbildungsszenen Spaß: Unterwasseraufnahmen, Turmspringen, Training. Zwischendurch wird gepredigt: „Wenn Hurrikane die US-Navy lahmlegen, dann gehen wir raus!“

Die Navy und die Rettungsschwimmer mögen sich nicht. Die Navy lacht die „Paddler und Piraten“ aus. In der kleinen Bar in Elizabeth City geben sich die muskulösen Männer beider Lager eins auf die Rübe. Die Abgrenzung der schwimmenden Hähne wird im Schulzimmer an die Küken weitergegeben, etwa wenn die Schwimmausbilder ihren Sprösslingen sagen: „Ihr kriegt die Chance, Leben zu retten!“ Doch die Trennlinie zwischen Navy und Rettungsschwimmern zu ziehen, fällt der Zuschauerin schwer, besonders wenn sich die ausbildenden Glatzen der Schwimmakademie die Seele aus dem Leib schreien. Man wünscht sich nichts sehnlicher als einen Außeneinsatz, eine anständige Explosion.

Randall prügelt sich mit der Navy, bricht hin und wieder die orthodoxen Ausbildungsmethoden, und aus dem eingebildeten jungen Goldfisch wird irgendwann natürlich ein leidenschaftlicher Rettungsschwimmer. Das geht nicht ohne Tränen, die Asthon Kutcher in einem kleinen Meer vergießt.

Nach der langen Ausbildung ist es so weit: Der Regisseur Andrew Davis („The Fugitive“, „Collateral Damage“) lässt wieder Helikopter in die Lüfte schwingen, Winde brausen und Wellen hochgehen. Der alte und der junge Held hängen am selben Strick und retten Leben. Den Rest übernimmt die See.

ARIANE VON GRAFFENRIED

„The Guardian – Jede Sekunde zählt“, Regie: Andrew Davis, mit Ashton Kutcher, Kevin Costner u. a., USA 2006, 139 Min.