Bulgarien wählt

Umfragen sagen Präsident Georgi Parwanow eine zweite Amtszeit voraus. Geringe Wahlbeteiligung befürchtet

BERLIN taz ■ Bulgarien könnte bei den morgigen Präsidentschaftswahlen eine Premiere erleben. Erstmals seit der Wende 1989 darf sich ein Staatschef Hoffnung auf eine zweite Amtszeit machen. Umfragen sehen den Präsidenten und Exchef der Sozialistischen Partei (BSP), Georgi Parwanow, bei 44 bis 54 Prozent der Stimmen. Sollte sich weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten am ersten Wahlgang beteiligen, müsste Parwanow jedoch auch bei über 50 Prozent Stimmen in die Stichwahl.

Dort könnte der 49-Jährige entweder auf den Kandidaten der beiden rechtsliberalen Parteien „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB) und „Bündnis der demokratischen Kräfte“ (SDS), Nedeltscho Beronow oder den Chef der nationalistischen Partei Ataka, Volen Siderow, treffen. Beide werden mit zwischen 16 und 22 Prozent der Stimmen gehandelt.

Parwanow tritt zwar als unabhängiger Kandidat an, wird aber von der regierenden BSP und deren Koalitionspartner, der „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), die die türkische Minderheit vertritt, unterstützt. So lautete denn auch das zentrale Motto seines Wahlkampfs, Präsident aller Bulgaren zu sein. Er werde jeden bekämpfen, der religiösen oder ethnischen Hass schüre, so Parwanow bei einem Wahlkampfauftritt. Zu dem Modell ethnischer Toleranz gebe es keine Alternative, zitierte ihn die Tageszeitung 24 Tschasa (24 Stunden). 1994 hatte er der DPS noch vorgeworfen, das Recht einer ethnischen Gruppe über die Belange der nationalen Sicherheit zu stellen.

Kritiker werfen Parwanow, der die Macht des Präsidenten stärken will, vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. So hatte sich der Staatschef bei der letzten monatelang dauernden Regierungsbildung massiv eingemischt und sich für ein Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union stark gemacht. Doch diese kreative Verfassungsauslegung ficht Parwanows Stammwähler – vor allem über 55-Jährige in Kleinstädten und auf dem Land – nicht an. Ebenso wenig wie Vorwürfe, Parwanow habe vor 1989 mit dem kommunistischen Geheimdienst zusammengearbeitet.

Zumindest über diese Zweifel ist Nedeltscho Beronow erhaben. Als einziger Kandidat ließ sich der Verfassungsrichter auf eine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst überprüfen – gefunden wurde nichts. Doch auch dieser Schritt hat die Chancen des bis dato fast unbekannten Beronow nicht erhöht. Zwar hat der 79-Jährige laut Umfragen in der Wählergunst zugelegt. Dennoch wird er als Kompromisskandidat wahrgenommen, auf den sich die zersplitterte Rechte erst nach langen Verhandlungen einigte.

Auch seine Forderungen, den Bürgern zu ermöglichen, das Verfassungsgericht anzurufen sowie die bulgarische Wirtschaft auf dem europäischen Markt zu stärken, stoßen bei den Wählern auf wenig Interesse. Zudem nehmen ihm viele Landsleute nicht ab, aus der Richterrobe in die Rolle eines Politiker zu schlüpfen.

Dieses Problem hat Volen Siderow nicht. Der Oberpatriot, der seiner Partei Ataka bei den Parlamentswahlen 2005 mit Hetzparolen wie „Türken und Roma raus!“ zu 8 Prozent der Stimmen verhalf, hat sich einiges vorgenommen. Als Erstes will er die DPS für verfassungswidrig erklären und aus dem Parlament werfen lassen.

Doch nicht nur bei den „Wendeverlierern“ kommt solche Rhetorik an. Profitieren könnte Siderow auch von den Wählern rechter Parteien, die ein Protestvotum abgeben oder ganz auf ihr Wahlrecht verzichten. Nach Angaben des Nationalen Zentrums für Meinungsforschung könnte die Wahlbeteiligung unter 30 Prozent fallen. Die bulgarische Wochenzeitung Kapital hat dafür Verständnis. Schließlich bliebe Wählern, die europäische Werte teilten und sich ausbilden ließen, um erfolgreich zu sein, bei diesen Wahlen keine Wahl. „Die Kandidaten wollen solche Wähler nicht und verstecken sich vor ihnen. Wenn das wirklich so sein sollte, haben sie alle die Wahl bereits verloren.“

BARBARA OERTEL