: Schere im Computer
DATENSCHUTZ Mit einem Programm will die Sozialbehörde ihre Datenverarbeitung vereinfachen. Dass Informationen zwischen den Ämtern ausgetauscht werden sollten, stört den Datenschutzbeauftragten
MATTHIAS JASPER, DATENSCHÜTZER
Das Programm ist im Zusammenhang mit dem Fall des getöteten Mädchens Yagmur ins Blickfeld geraten: Jus IT, eine Software, mit der die Sozialbehörde ihre Verwaltung vereinfachen will. Sie soll das auslaufende Programm Projuga ablösen und im Gegensatz zu diesem nicht nur im Jugend, sondern auch im Sozialamt benutzt werden – aus Sicht der Behörde ein Fortschritt, da sie einen umfassenden Blick auf die Klienten ermöglicht. Kritiker befürchten, dass dieser umfassender ist, als dem Bürger lieb sein kann. Der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat nun durchgesetzt, dass die Daten für das Jugend und das Sozialamt getrennt verarbeitet werden.
Jus IT ist umstritten. Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Diensts (ASD) haben das Programm kritisiert, weil sie das Gefühl haben, dass es ihnen zu umfangreiche Dokumentationspflichten auferlegt. Das Programm nimmt die Sozialarbeiter an die Hand und zwingt sie, auf eine festgelegte Weise – teilweise durch das Ankreuzen von Kästchen – ihre Fälle abzuarbeiten. Auf diese Weise sollen Fehler wie bei Yagmur vermieden werden, wo sich das Wissen über die Situation des Kindes zwischen verschiedenen Dienststellen verflüchtigte. Je besser die Dokumentation, desto leichter ließen sich solle Fälle verhindern, findet die Behörde. Sozialarbeiter monieren dagegen, das Programm raube ihnen die Zeit für den Kontakt mit ihren Klienten.
Aus Sicht des Datenschutzes ist problematisch, dass das Programm von sich aus zulassen würde, dass etwa ein Jugendamtsmitarbeiter auch die Akte seines Klienten bei der Sozialbehörde einsehen könnte. Das würde ihm zwar in einigen wenigen Fällen die Arbeit erleichtern, räumt Matthias Jaster vom Büro des Datenschutzbeauftragten ein, widerspreche aber dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. „Ich bestimme selber, wer, wann, welche Daten über mich bekommt“, sagt er.
Nur weil es die Arbeit der Behörden erleichtere, dürfe dieses Grundrecht nicht einfach missachtet werden. „Es geht das Jugendamt nichts an, ob ein Vater, der das Sorgerecht beantragen will, Wohngeld bezieht“, hat es ein Kollege Jasters einmal der taz gegenüber erklärt. Außerdem können die Leute vom Sozial oder Jugendamt ihre Kunden fragen, ob die Daten im konkreten Fall übermittelt werden dürfen. „Ich sehe nicht, warum man einen Bürger so stark entmündigen muss“, sagt Jaster. „Das wäre ein sehr großer Eingriff.“
Die Datenschützer haben sich mit ihren Bedenken fürs Erste durchgesetzt. Die Software soll jetzt nach dem Prinzip der „Mandantentrennung“ konfiguriert werden. Dabei wird sichergestellt, dass Daten über Menschen, die zu unterschiedlichen Zwecken erhoben wurden, getrennt voneinander verarbeitet werden. „Es reicht nicht aus, ein Zugriffsberechtigungskonzept zu machen“, sagt Jaster. Zu groß wäre das Risiko, dass der Systemadministrator ein falsches Häkchen setzt und Daten für Leute freigibt, die damit nichts zu schaffen haben.
Für die Zukunft bedeutet das, dass die Leute vom Jugendamt, vom Sozialamt und der Wohngeldstelle mit dem gleichen Programm arbeiten werden. Auf Allgemeines, wie die verschiedenen Hilfe-Angebote, die es gibt, haben alle Zugriff. Die Fälle dagegen werden technisch voneinander getrennt. Informationen dazu sollen zwischen den Dienststellen nur über fest definierte Schnittstellen ausgetauscht werden können. GERNOT KNÖDLER