LESERINNENBRIEFE
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Lasst mich in Frieden!

■ betr.: „Oh Gott, lass mich los!“, taz vom 19./20./21. 4. 14

Ich bin vor über 40 Jahren aus der Kirche ausgetreten. Schmerzen verursacht mir das nur sehr selten, zum Beispiel an Tagen wie diesem, an dem mich auf der Titelseite der taz diese (kirchlich gesponserte?) Schlagzeile anspringt und an dem ich nicht tanzen darf, weil sich das Land Rheinland-Pfalz in den historisch verlängerten Arm der katholischen Kurfürsten verwandelt. Genau genommen sind es auch keine Schmerzen, die ich da empfinde, sondern schlicht Ärger über die Missachtung meines Grundrechts auf Glaubensfreiheit, das auch die Freiheit umfasst, nicht zu glauben. Daher, liebe gläubige Mitbürger und liebe taz, lasst mich einfach in Frieden, so wie auch ich euch in Frieden lasse! BRIGITTE HANSEN-BARBI, Trier

Judas – eine Kunstfigur

■ betr.: „Ohne Judas kein Christentum“, taz vom 19./20./21. 4. 14

Diese Überschrift geht gar nicht, lieber Daniel Schulz. Zwar steht das alles so in der Bibel, nur: Einen Verräter Judas hat es nie gegeben, er gehört in eine Reihe mit vielen anderen antisemitischen Erdichtungen. Mit ihnen haben die frühchristlichen Bibelautoren versucht, sich bei den Römern einzuschleimen, indem sie den Juden Böses andichteten: Judenkönig Herodes als Kindermörder; die Pilatusgeschichte, die den Juden die Schuld an der Kreuzigung Jesu zuschreibt, weil sie stattdessen die Freilassung des Barabbas gefordert hatten – eine Fälschung mit verheerenden Folgen bis hinein in die Nazizeit; schließlich Judas, dessen Name tatsächlich als Synonym für alle Juden angesehen wurde. Nahezu alle christlichen Theologen und Religionswissenschaftler sind sich darin einig, dass es sich dabei nicht um historische Fakten handelt.

Zu Judas schreibt die seinerzeit erste katholische Theologieprofessorin der Welt, Uta Ranke-Heinemann, in ihrem Weltbestseller „Nein und Amen“, Judas „ist eine Kunstfigur, eine wirkungsvolle allerdings. Denn eine Gestalt des Dunkels neben einer Gestalt des Lichts ist immer faszinierend, das personifizierte Böse neben einer göttlichen Person insbesondere“. Selbst wenn es ihn gegeben hätte, wäre ein Verrat nicht nötig gewesen. Der Aufenthalt Jesu war den Römern jederzeit bekannt, ebenso sein Erscheinungsbild, ein Judaskuss zu seiner Identifizierung sei folglich unnötig gewesen. Überdies habe ihm Jesus die Kasse der Jünger anvertraut, mit der er auch jederzeit hätte durchbrennen können; er sei also nicht auf angeblich 30 Silberlinge angewiesen gewesen. WERNER ALBERTS, Essen

Kein Zeitungspapiergeräusch mehr

■ betr.: „Papier rechnet sich schwer“, taz vom 12./13. 4. 14

Bitte, bitte lasst es noch ganz, ganz lange dauern, bis die Papier-taz eingestanzt wird. Das ist es, was bei mir hängen geblieben ist, als ich die Bull-Analyse gelesen habe. „Es wird nicht mehr lange dauern, versuch es lieber schon mal digital, dann ist die Umstellung nicht ganz so groß und überraschend.“ Kein klassisches Zeitungspapierumblättergeräusch mehr, kein schnelles Überblickverschaffen, was ist passiert auf dieser Welt, um dann später mit Zeit und Ruhe und Genuss, doch mehr oder weniger jeden Artikel zu lesen, noch mehr Stunden vor dem Computer, kein ©Tom mehr am Morgen, als Aufmacher und erster Schmunzler am Tag oder zum Ausschneiden, Postkarte draus basteln, verschicken und Freundes-und Bekanntenherzen zum schmunzeln bringen, keine Unterlage mehr für malende Kinderhände, die dann doch an dem ein oder anderen Foto hängen bleiben und nachfragen und ich die Möglichkeit habe, etwas von der Welt zu erzählen und die Zeitung als ein Medium begriffen wird! Schluchz!!! Vielleicht kann man ja bei dem Bau des neuen Hauses an der ein oder anderen Stelle sparen, sodass sich der Einstanzzeitpunkt nach vorne verschiebt! ANGELA VOM BAUR, Straubenhardt

Neue Landwirtschaft

■ betr.: „Das Abomodell für den Bauernhof“, taz vom 17. 4. 14

In dem Artikel wird ein wichtiger Grundgedanke der Community Supported Agriculture (CSA), wie wir sie als Selbstversorgergemeinschaft umsetzen, nicht vollständig dargestellt. Es geht nicht nur darum, dass inkompetente Städter beim Unkrautzupfen betreut werden, die ansonsten eine monatliche Pauschale an einen Bauern zahlen. Das Entscheidende ist ein Rollenwechsel. Es gibt keinen Kunden mehr, sondern es entsteht eine neue Gruppe von Produzenten, die ihren Hof bewirtschaften. Jeder aus der Gruppe mit seinen Fähigkeiten und Mitteln. Der eine lebt auf dem Hof und arbeitet nur dort, der andere arbeitet ab und zu und gibt Geld, ein anderer gibt mehr Geld, weil er eben noch einen anderen Job hat. Aber die Verantwortung ist eine gemeinsame, was auch für die Entscheidungen, Anschaffungen und Wirtschaftspläne gilt. Dazu braucht auch nicht jeder ein Landwirt zu sein.

Ein Ziel, das wir auch noch nicht vollständig umgesetzt haben, ist, dass auch die Produktionsmittel, also vor allem das Land, vergemeinschaftet werden. (Wir haben dazu eine Stiftung gegründet.) Die Produkte der Landwirtschaft und auch ihre Veredelung, also Käse, Fleisch, Brot etc., kommen nicht mehr auf den Markt. Sie werden von den Produzenten selbst konsumiert. Es ist nur schwer zu schaffen, sich nur von einem Hof zu ernähren, aber je nach Konsumgewohnheiten muss der Einzelne nicht mehr viel „zukaufen“. Damit entsteht eine völlig neue – eigentlich aber uralte – Form der Lebensmittelproduktion. Verseuchte Lebensmittel, Massentierhaltung, die ganze industrielle Landwirtschaft werden damit obsolet und es entsteht eine natürliche, kleinteilige und vielfältige Landwirtschaft mit allen positiven Folgen. JÖRG SCHMIDT-ROHR, Mannheim