: Die Junge Union mag die Alten nicht
Der CDU-Nachwuchs wählt den Pensionistenkritiker Philipp Mißfelder wieder zum Chef – und greift die Alten an. Um die scharfmacherische Parteijugend zu bremsen, reist eigens Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Deutschlandtag der JU
AUS WIESBADEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
„2022 – Die überleben wollen“. In dem Streifen werden die Alten im sogenannten Karussell – einer staatlichen Einrichtung – getötet und dann zu einem Grundnahrungsmittel namens „Soylent Green“ verarbeitet. Das schafft Platz für die Jungen – und löst gleichzeitig das Ernährungsproblem weltweit.
So weit wollen die Jungunionisten als selbst ernannte Lobbyisten der jungen Generation bei ihrem Kampf um mehr „Generationengerechtigkeit“ sicher nicht gehen. Doch ihre Wut auf die „Rentnergeneration auf Kreuz- und Kaffeefahrt“ ist dennoch groß. Die Alten fläzten sich auf den Sonnendecks der Kreuzfahrtschiffe und in Komfortbussen – so war auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Wiesbaden zu hören – und „verfrühstücken unsere Zukunft“.
Den Alten in Deutschland werde „Zucker in den Arsch geblasen“. Auch das eine immer wieder gerne und laut geäußerte Meinung an den Talktischen. Und dass damit endlich Schluss sein müsse. Mit satten 84,5 Prozent wählte die JU den Bundestagsabgeordneten Philipp Mißfelder (27) als Vorsitzenden wieder. Der hatte sich mit 23 Jahren berühmt gemacht, indem er alten Menschen das Recht auf neue Hüftgelenke absprach. Auch diesmal lehnte er die Gesundheitsreform mit dem Hinweis auf die demografische Entwicklung ab. Die junge Generation, so Mißfelder, müsse stärker entlastet werden - auch bei der Finanzierung von Renten- und Pflegeversicherung.
In den Reden wurden der Mutterpartei die Leviten gelesen. Pflegende Angehörige würden mit Steuervergünstigungen und üppigen Pflegegeldsätzen massiv alimentiert, meinte etwa ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen. Das müsse jetzt reichen. Andere forderten von der Bundeskanzlerin mehr. Viel zu oft überlasse Angela Merkel den „sozialdemokratischen Luschen“ das Feld. Dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck müsse jetzt gezeigt werden, „wo der Hammer hängt“. Auch Mißfelder will Merkel beißen sehen: „Die Union darf keine Rücksicht mehr auf die Befindlichkeiten sozialdemokratischer Reformbremser nehmen.“ Die JU, die inzwischen zum „Machtfaktor“ geworden sei, bekenne sich auch zur Machtpolitik.
Technoklänge wabern durch die Halle. Einzug der Bundeskanzlerin. Die Jungunionisten stehend artig auf. Mißfelder trompetet: „Angela Merkel! Unsere Kanzlerin! Wir stehen voll hinter ihr!“ Merkel gratuliert der JU erst einmal süffisant zur erstmaligen Wahl von zwei Frauen in den Vorstand. Schließlich wolle die Union doch „Gesellschaft gestalten im 21. Jahrhundert“.
Angelas Merkel zollt der älteren Generation ausdrücklich ihren Respekt. Den Rentnern in Deutschland werde aktuell „viel zugemutet“, sagte sie. Die Rente mit 67 verunsichere die Menschen zusätzlich. Doch an der Politik der Haushaltssanierung führe kein Weg vorbei, gerade im Interesse der jungen Generation.
Vehement verteidigt sie die Gesundheitsreform, deren positive Aspekte „derzeit allerdings noch nicht absehbar“ seien: „Das muss jetzt erst einmal in Kraft treten und wirken.“ Die Gesundheitsreform sei jedenfalls „kein bürokratisches Monster“, weist sie, ohne Gerhard Schröder zu erwähnen, eine Breitseite ihres Vorgängers zurück.
Der Beifall beim Abgang der Kanzlerin fiel weit weniger herzlich aus als beim Einzug. Beim Piccolo danach an einem Talktisch der Lobbyisten von „Pro Atomkraft“ wird Merkel von Jungunionisten mit der Jungen Freiheit unterm Arm als „Sozialtante“ apostrophiert. Die anderen am Tisch grinsen.