: Wenn die Diäten nicht reichen
BUNDESTAG Ein Viertel der Abgeordneten verdient sich etwas hinzu. Experten fordern ein Lobbyregister – und ein Verbot von Nebentätigkeiten
HERBERT HÖNIGSBERGER
VON EVA VÖLPEL
BERLIN taz | Etliche der 631 Bundestagsabgeordnete sind mit ihren Diäten von rund 8.250 Euro und künftig 9.082 Euro im Monat offenbar nicht zufrieden: Rund ein Viertel aller Parlamentarier geht aktuell einer bezahlten Nebentätigkeit nach. Das zeigt eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung der Gewerkschaft IG Metall. Für die Studie wurden die Angaben ausgewertet, zu denen Abgeordnete gesetzlich verpflichtet sind.
Besonders verbreitet ist der bezahlte Nebenjob unter Politikern der Unionsfraktion. So stammen von den insgesamt 151 Nebenverdienstlern knapp 100 aus CDU oder CSU. 37 kommen aus der SPD, sieben von den Grünen und zehn von den Linken. Vor allem Männer und Rechtsanwälte gehen überdurchschnittlich oft einem Zweitjob nach. Die Spanne des Zusatzverdienstes ist dabei groß: Zweidrittel der Abgeordneten verdienten seit Oktober 2013 einmalig oder regelmäßig zwischen 7.000 und 15.000 Euro zusätzlich im Monat, 28 Mandatsträger kamen auf 15.000 bis 250.000 Euro – und vier, allesamt aus der Union, auf über 250.000 Euro. Seit Ende 2013 müssen Abgeordnete ihre Nebenverdienste in zehn Stufen aufschlüsseln. Erfasst werden Einkünfte ab 1.000 Euro und bis über 250.000 Euro monatlich.
Einer, der besonders lukrativ dazu verdient, ist der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler. Er soll laut der Transparenzinitiative Abgeordnetenwatch seit Beginn der neuen Legislaturperiode bereits über 500.000 Euro als Rechtsanwalt erarbeitet haben.
Die Studie der Brenner-Stiftung selbst stellt keine einzelnen Politiker ins Rampenlicht. Sie macht auf die grundsätzlichen Probleme der Nebentätigkeit aufmerksam. Zum einen können sich Verbände oder Unternehmen Abgeordnete über Aufsichtsratsmandate oder Aufträge gewogen halten und so im politischen Geschäft direktes Lobbying betreiben. Zum anderen stiehlt die Nebentätigkeit Zeit, die eigentlich für den anspruchsvollen parlamentarischen Betrieb zur Verfügung stehen sollte. Allein zwischen 2009 und 2013 seien den Wählern zwischen 640.000 und 1,2 Millionen Arbeitsstunden vorenthalten worden, schreibt der Autor der Studie, Herbert Hönigsberger.
Für Hönigsberger zeigt sich, dass es neue Vorschriften braucht. „Man sollte Nebentätigkeiten weitgehend verbieten. Abgeordneter ist ein Hauptberuf. Deshalb bezahlt es die Gesellschaft ja anständig.“
Hönigsberger und auch Initiativen wie Lobbycontrol fordern zudem ein Lobbyregister. Tätigkeiten für Organisationen, die in diesem Register stünden, sollten dann untersagt werden. So könnten Abgeordnete nicht mehr bezahlt für Banken, Versicherungen, Arbeitgeberverbände oder Gewerkschaften arbeiten. Umgekehrt müssten hauptamtliche Funktionäre solcher Organisationen beim Einzug ins Parlament ihre vorherige Tätigkeit aufgeben. „So würde der Einfluss von Lobbyisten zurückgedrängt“, sagt Hönigsberger.
Durch strengere Regeln hätten auch Politiker wie Gauweiler wieder mehr Zeit, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Abgeordnetenwatch hatte den Superverdiener im Nebenamt in der Vergangenheit einmal als „Spitzenreiter beim Blaumachen“ bezeichnet. Er fehlte zwischen Dezember 2009 und Ende Juni 2013 bei 47 von 93 namentlichen Abstimmungen im Bundestag.