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Archiv-Artikel

Forscher: Mehr Fortschritt in Südkorea als in Deutschland

THEORIE Eine Frankfurter Denkfabrik hat einen neuen Index für Wohlstand jenseits des BIP entwickelt

Der Bildungsbereich drückt in Deutschland auf den Fortschritt

VON MANUELA HEIM

3,7 Prozent Wirtschaftswachstum haben die Wirtschaftsweisen am Mittwoch für das laufende Jahr vorhergesagt. Die Mahnung der Experten zu mehr Verteilungsgerechtigkeit und Investionen in die Bildung stehen als bloße Worte im Schatten der beeindruckenden Zahl. Denn: „Nur was gemessen wird, wird gemanagt“, sagt der Frankfurter Volkswirt Stefan Bergheim. Sein Thinktank Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt stellte am Donnerstag einen neu entwickelten Fortschrittsindex vor. Er berücksichtigt nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Schon seit seiner Entwicklung in den Dreißigern steht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Indikator für den Erfolg einer Volkswirtschaft in der Kritik. Trotzdem hat es sich international etabliert. Erst in den letzten Jahren bemühten sich vermehrt gemeinnützige Forschungseinrichtungen und internationale Organisationen um die Entwicklung eines breiteren Maßes.

Etwa der „Happy Planet Index“, der zwar Lebenszufriedenheit und ökologischen Fußabdruck, nicht aber Einkommensgrößen berücksichtigt. Oder der „Human Development Index“ der Vereinten Nationen, der wiederum die Komponente Umwelt außen vor lässt. Das gemeinnützige Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt bringt nun in Zusammenarbeit mit der OECD und finanziell unterstützt von der Deutschen Bank einen neuen Fortschrittsindex in die Diskussion ein.

Er besteht aus vier Komponenten: Nettonationaleinkommen, ökologischer Fußabdruck, Lebenserwartung als Maß für Gesundheit sowie Schüler- und Studierendenquoten als Ausdruck des Bildungsniveaus. 22 Industrieländer hat Volkswirt Bergheim, der früher für Investmentbanken gearbeitet hat, für die Jahre 1970 bis 2008 miteinander verglichen. 2008 rangiert Deutschland demnach auf Platz 18 von 22. Bei relativ hohem Einkommen, hoher Lebenserwartung und vergleichsweise kleinem ökologischen Fußabdruck drückt hierzulande erwartungsgemäß die unterdurchschnittliche Entwicklung im Bildungsbereich auf die Fortschrittsbremse. Ganz vorne liegen seit Jahren die skandinavischen Länder. Im Fortschrittsindex ziehen aber inzwischen auch Länder wie Südkorea in ihrer Wohlstandsentwicklung an Deutschland vorbei.

Den Aspekt Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigt allerdings auch der Fortschrittsindex nicht. Bergheim vermutet zwar einen Zusammenhang zwischen mehr Einkommensgleichheit und Lebenszufriedenheit. Statistisch abbildbar sei dieser aber noch nicht, sagt der Volkswirt.