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Archiv-Artikel

Nach Walle woll‘n sie alle

Nur kurz und weit voneinander entfernt sollen NPD- und Gegendemo am 4. November stattfinden – so will es das Stadtamt. Die Polizei sucht derweil in Ostfriesland nach Informationen

„Wir wollen nicht irgendwo herumlaufen, wo uns kein Mensch sieht, sondern unseren Protest dort sichtbar machen, wo die Nazis sind“

Nicht gut zu sprechen auf das Bremer Stadtamt waren gestern die antifaschistischen Gruppen des Anti-NPD-Bündnisses „Keinen Meter“. Grund für ihren Unmut: Statt der zum Protest gegen den Nazi-Aufmarsch am 4. November angemeldeten Demonstrationsroute genehmigte ihnen das Stadtamt nur rund die halbe Strecke. Das gleiche Schicksal hatte die NPD. Beide Seiten kündigten an, rechtlich gegen die Verfügung vorgehen zu wollen.

Allerdings wird dafür die Zeit knapp werden. Das Stadtamt will die Verfügung erst am kommenden Mittwoch zustellen – drei Tage vor den Demos. Offenbar sollen erst die NPD-Kundgebungen am Wochenende in Celle und Göttingen abgewartet werden. Ursprünglich wollten die Neonazis vom Bahnhof Oslebshausen aus quer durch Gröpelingen marschieren. Nach einer Ortsbegehung empfahl das Stadtamt der NPD jedoch, am Waller Bahnhof zu starten: Wegen größerer Bauarbeiten in Oslebshausen befürchtete man, die Situation könnte dort außer Kontrolle geraten. Zähneknirschend meldete die NPD am 11. Oktober eine neue Route an: vom Bahnhof Walle über die Gröpelinger Heerstraße zum Ohlenhofplatz. Noch am selben Tag zog das „Keinen Meter“-Bündnis nach und beantragte eine Demostrecke vom Gröpelinger Depot nach Walle – also in umgekehrter Richtung zur Nazi-Route.

Das Stadtamt setzt auf eine Drei -Drittel-Strategie: Die NPD soll nur bis zum Alten Winterweg im Süden Gröpelingens laufen, die Gegenkundgebung darf vom Depot bis ins Lindenhofquartier demonstrieren. Das dazwischen liegende Strecken-Drittel soll offenbar als eine Art Pufferzone dienen.

Dies widerspricht dem Selbstverständnis der Antifaschisten: „Wir wollen nicht irgendwo herumlaufen, wo uns kein Mensch sieht, sondern unseren Protest da sichtbar machen, wo die Nazis sind“, sagt ein Sprecher der GegendemonstrantInnen.

Entsprechend wenig Verständnis hat man für die Entscheidung des Stadtamtes. „So wird der gesamte Stadtteil Walle den Nazis einfach überlassen und jeder Protest ausgesperrt.“ Die Begründung des Stadtamtes, es sei bei einem Zusammentreffen der beiden Kundgebungen mit Ausschreitungen zu rechnen, sei nicht stichhaltig. „Es sind alle möglichen bürgerlichen Gruppen an der Demo beteiligt – bis hin zur CDU.“ Sogar Bürgermeister Böhrnsen werde eine Rede halten und mitlaufen, hieß es beim Bündnis.

Die Antifas vermuten, dass versucht werden soll, „antifaschistischen Widerstand wieder einmal zu kriminalisieren“ – dann nämlich, wenn man da demonstrieren will, wo die Nazis sind.

Unterdessen wurde bekannt, dass am vergangenen Freitag ein Bremer Student in seinem ostfriesischen Heimatort, 150 Kilometer von Bremen entfernt, von einer Zivilstreife aufgegriffen und auf eine Polizeiwache gebracht wurde – angeblich wegen einer „allgemeinen Betäubungsmittelkontrolle“. Auf der Wache wurde er eigenen Angaben zufolge auf seine Aktivitäten bei Studiengebühren-Protesten angesprochen und ihm unterstellt, „Verbindungen zur Antifa“ zu haben. Die Polizisten hätten ihn daraufhin aufgefordert, zu berichten, was am 4. November in Bremen „denn so an Aktionen geplant ist“. Im Falle der Nicht-Kooperation hätten ihm die Beamten angedroht, ihn „bis zu 48 Stunden“ festzuhalten. Außerdem sei es für die Berufsaussichten des Lehramtsstudierenden nachteilig, „politisch auffällig“ zu sein. Der Studierende verweigerte nach eigenen Angaben jede Stellungnahme und wurde nach zwei Stunden wieder freigelassen. Ein Sprecher von Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) gab an, keinerlei Kenntnis von dem Vorfall zu haben.

Infos zur Gegendemonstration: www.keinen-meter.de