: Berührt – geführt: Saleh muss antreten
MACHTSTREIT IN DER SPD
Beim Schach gibt es eine Grundregel: Berührt – geführt. Wer eine Figur anfasst, muss sie auch ziehen. In der Politik gilt das Gleiche: Wer Ambitionen öffentlich macht und seine Partei damit in innere Auseinandersetzungen stürzt, der kann nicht mehr zurück, ohne seinem Image zu schaden.Darum kommt auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh um eine Kandidatur für den Landesvorsitz nicht mehr herum.
Salehianer mögen zwar immer wieder sagen, der Fraktionschef habe doch gar nichts konkret angekündigt. Doch das ist blauäugig. Saleh ist viel zu sehr Politprofi, um nicht zu wissen, dass alles andere als ein klares Dementi zu Landesvorsitz-Ambitionen als anstehende Kandidatur aufgefasst wird. Ein, zwei Tage nach den ersten Berichten über eine beabsichtigte Kandidatur hätte Saleh noch zurückrudern, das Ganze als Missverständnis darstellen können.
Doch der Fraktionschef hat inzwischen gut zwei Wochen vergehen lassen, ohne irgendetwas in dieser Richtung zu unternehmen. Zwei Wochen, in denen öffentliche und veröffentlichte Meinung die Berliner SPD nicht mit dem baldigen und immens wichtigen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld und ihrem Europawahlprogramm in Verbindung brachten, sondern mit einem Führungsstreit.
Meint Saleh es ernst, dann war diese PR-mäßig suboptimale Situation unvermeidbar und der Preis für eine Klärung, die die Wowereit-Nachfolge erleichtern soll: Stöß erst 2016 bei der nächsten Vorstandswahl herauszufordern wäre wegen der dann anstehenden Abgeordnetenhauswahl zu spät. Sollten aber all die Diskussionen der jüngsten Tage für die Katz gewesen sein, hätte Saleh seiner Partei Schaden zugefügt und sich als äußerst unprofessionell im Umgang mit derartigen Diskussionen erwiesen. Zudem stünde er als der da, der eine offene Entscheidung, das Duell auf dem Parteitag, scheut.
Das aber kann sich Saleh nicht leisten, wenn er zeigen will, dass er nicht nur ein guter Fraktionschef ist, der vieles in Bewegung gebracht hat, sondern auch ein souveräner Regierungschef sein kann. Denn wer will schon jemanden als Boss im Roten Rathaus, der im entscheidenden Moment kneift? STEFAN ALBERTI