: Kongo: Häftlinge weg
Eine Gruppe von Todeskandidaten ist aus dem Zentralgefängnis in Kinshasa entkommen – aber wie?
KINSHASA taz ■ Ein mysteriöser Gefängnisausbruch sorgt für Spekulationen in Kongos Hauptstadt Kinshasa kurz vor der Stichwahl um das Präsidentenamt am kommenden Sonntag. 14 Häftlinge, die wegen der Ermordung des einstigen kongolesischen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila im Todestrakt des Zentralgefängnisses der Hauptstadt saßen, sind nach offiziellen Angaben ausgebrochen und geflohen. Justizminister Pierre Ilunga bestätigte den Ausbruch, der bereits in der Nacht vom Montag zu Dienstag stattgefunden habe, machte aber keine näheren Angaben.
Insgesamt sitzen im Zentralgefängnis Makala 32 Todeskandidaten ein, die nach der Ermordung von Laurent-Désiré Kabila durch einen seiner Leibwächter in seinem Büro am 16. Januar 2001 von einem Militärgericht die Todesstrafe erhielten, weil sie angeblich an dem Mordkomplott mitgewirkt hatten. Keiner von ihnen ist bislang hingerichtet worden. Ihr Schicksal ist regelmäßig Objekt heftigen politischen Streits im Kongo, und sollten sie nicht mehr in Haft sitzen, könnten sie der Regierung gefährlich werden.
Der prominenteste von ihnen ist Eddy Kapend, der nach Laurent-Désiré Kabilas Tod als erster Militär im Staatsfernsehen auftrat und sich als Putschist gerierte. Er soll sich nicht unter den Ausgebrochenen befinden. Laurent-Désiré Kabila wurde nach seiner Ermordung durch seinen Sohn Joseph Kabila ersetzt, der bis heute Präsident ist und gute Chancen hat, am kommenden Sonntag der erste gewählte Staatschef des Kongo zu werden.
Menschenrechtler in Kinshasa bezweifeln die offizielle Version des Ausbruchs und halten eine Verschleppung für möglich. „Vierzehn Menschen sind in der Nacht zu Dienstag aus dem Zentralgefängnis verschwunden; wir sprechen nicht von einem Ausbruch“, sagte Amigo Ngonde, Präsident der Menschenrechtsvereinigung Asadho (Afrikanischer Menschenrechtsverband), in Kinshasa der taz. Es habe weder Schusswechsel gegeben noch seien Spuren eines Ausbruchs bemerkt worden. Das Fehlen der 14 Häftlinge sei erst am nächsten Morgen um elf Uhr gemeldet worden, obwohl die Häftlinge rund um die Uhr bewacht werden, heißt es in Zeitungsberichten.
Ngonde weist darauf hin, dass die „verschwundenen Häftlinge“ allesamt aus der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu stammen und Mitstreiter des 2000 von Kabila hingerichteten, im Ostkongo populären Militärkommandanten Masasu gewesen waren.
Masasu war einer der Gründungsmitglieder von Kabilas Rebellenallianz gewesen, die 1996–97 im damaligen Zaire die Mobutu-Diktatur stürzten, und hatte damals vor allem Kindersoldaten aus Ostkongo, die sogenannten kadogo, bis in die Hauptstadt geführt. Seine Eliminierung im Dezember 2000 gilt als direkter Mitauslöser der Ermordung Kabilas einen Monat später. Bis heute sind manche von Masasus Kämpfern in lokalen Milizen aktiv, die der Zentralregierung nicht unbedingt wohlgesinnt sind. In Kinshasa geht dieser Tage große Befürchtung um, dass im Zusammenhang mit der bevorstehenden Präsidentschaftswahl bewaffnete Gruppen stärker werden, die entweder für Kabila oder für seinen Herausforderer Jean-Pierre Bemba Unsicherheit schüren könnten. DOMINIC JOHNSON