: Erst die Nase kaputt, dann angeklagt
JUSTIZ Nach einem Fußballspiel wird einer Frau bei einem Polizeieinsatz die Nase gebrochen. Nun sitzt sie auf der Anklagebank. Sie soll den Beamten gewürgt haben. Bestätigen können das nicht mal seine Kollegen
Der FC St. Pauli hatte das Zweitligaspiel beim 1. FC Union Berlin mit 1:2 verloren. Das war schon ärgerlich für Anna H., die am 17. April ins Stadion nach Köpenick gefahren war, um den Hamburger Kiezverein anzufeuern. So richtig derbe kam es für die junge Berlinerin erst nach Abpfiff. Offenbar durch Polizeischläge erlitt sie einen Nasenbeinbruch. Sieben Monate später muss sie nun vor Gericht erscheinen – als Angeklagte. Ihr wird Körperverletzung an dem schlagenden Polizisten vorgeworfen.
Nach dem Spiel hatten sich einige Pauli-Anhänger auf dem Gelände einer Tankstelle in der Lindenstraße versammelt – darunter auch Anna H. Sie holte sich dort noch ein Bier für den Rückweg. Wegen der Brisanz des Spiels war die Polizei in massiver Anzahl vor Ort. Allein auf dem Gelände der Tankstelle standen drei Einsatzwagen. So weit sind sich alle Zeugen einig.
Vor Gericht erklärt die Angeklagte am Mittwoch, sie habe einen betrunkenen Fan zur Seite ziehen wollen, als ein weiteres Polizeifahrzeug versuchte, rückwärts in die Auffahrt der Tankstelle einzubiegen. Dann habe sich ein Polizist eingemischt. Sie habe versucht, den Streit zwischen dem Beamten und dem Betrunkenen zu schlichten. Die Diskussion habe mit einem Faustschlag des Polizisten in ihr Gesicht geendet. Geschockt sei sie auf Abstand gegangen und habe den entstehenden Tumult aus der Ferne betrachtet. Dann aber sei derselbe Polizist erneut auf sie zugekommen, habe ihr noch zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sie an den Haaren zu Boden gezogen, bevor sie in Gewahrsam genommen worden sei.
Laut Anklage soll Anna H. dem Beamten an den Hals gefasst und zugedrückt haben. Deshalb habe er sich mit den gezielten Schlägen wehren müssen. Der Polizist selbst fehlt am Mittwoch vor Gericht. Vier seiner Kollegen berichten als Zeugen übereinstimmend, dass die Fans mehrfach aufgefordert worden seien, Platz zu machen. Es habe eine aggressive Grundstimmung geherrscht. Dass Anna H. ihren Kollegen angegriffen hat, hat jedoch keiner der vier Polizisten gesehen.
Ein unabhängiger Augenzeuge berichtet, er habe beobachtet, dass der Beamte die Angeklagte geschlagen habe. Auch das vor Gericht gezeigte Video eines Pauli-Fans unterstützt diese Version. Es zeigt, wie der Augenzeuge auf den Polizisten deutet, als dieser gerade Anna H. an den Haaren zu Boden zieht.
Eine Entscheidung fällte das Gericht am Mittwoch noch nicht. In der kommenden Woche soll zunächst noch der in den Vorfall verwickelte Beamte gehört werden. CHRISTOPH BERGER