: Nur wenig Grenzbereiche
Die Leverkusener Jazztage schwächeln. Heute öffnen sie ihre Bühnen unter dem Motto „Musik ohne Grenzen“. Jetzt muss auch noch Violinpromi Nigel Kennedy wegen eines Fahrradunfalls absagen
VON HOLGER PAULER
Die Macher der Leverkusener Jazztage haben sich zur 27. Auflage des Festivals ein selbstentlarvendes Motto ausgedacht: „Musik ohne Grenzen.“ Den Slogan nutzen Werbeleute nur, wenn sie ein beliebiges Programm irgendwie beschreiben müssen. Ab heute Abend haben neugierige Jazzfans die Gelegenheit, bis zum 11. November „Weltklasse-Künstler in entspannt lockerer Atmosphäre“ zu erleben. Zumindest verspricht das der zusätzliche Ankündigungstext.
Doch Weltklasse ist Leverkusen lange nicht mehr – weder im Fußball, in der Chemie noch in der Musik. Den Anfang macht heute Abend der abgefeierte Buena Vista Social Club. Stars des Programms dürften Flamenco-Gitarrist Paco de Lucia und sein Saitenkollege, der Hochgeschwindigkeits-Musiker Al Di Meola werden. Der englische Violinenguru Nigel Kennedy hatte seinen Auftritt bereits wegen eines gebrochenen Arms abgesagt. Dafür sphärische Klänge zwischen Folk, Jazz und Rock von der samischen Sängerin Mari Boine.
In den 1990ern stand das Leverkusener Festival bereits vor dem finanziellen Aus. Darum beschwor man damals das Vordringen in „populäre Grenzbereiche des Jazz“. Wie solche Ankündigungen auch nach hinten los gehen können, zeigt morgen das Line-Up des Konzertabends „Rockpalast Presents“: mit dabei sind die amerikanischen Funk-Rocker Level 42, Ex-Ultravox und Visage-Frontmann Midge Ure und die Band Cutting Crew. Seit 1986 hat die Single „(I just) died in your arms“ einen Stammplatz in den Sendungen des Kölner WDR 2-Dudelfunks – 20 Jahre später wird sie auch noch in Leverkusen erklingen.
Da lohnt sich ein wehmütiger Blick in die Vergangenheit der uralten Jazztage: James Carter, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Joe Zawinul, John Mc Laughlin, Van Morrison oder die Bands Soft Machine und Van der Graaf Generator traten einst in der Chemie-Stadt am Rhein auf. Jeder einzelne Act hätte das diesjährige Festival spürbar aufgewertet. Aber vielleicht klappt es ja beim nächsten mal wieder.