Weltgewissen ahoi

Das World Future Council hat gestern seine neue Zentrale in Hamburg eröffnet. Sie soll die weltweiten Aktivitäten koordinieren. Ein Antrittsbesuch

VON DANIEL WIESE

Besonders stolz ist Gerhard Geerdts auf die Aussicht, die sich vom Dachgeschoss aus bietet. Zwei Stockwerke geht es noch hoch durchs Treppenhaus, dann: bodentiefe Panoramafenster. Auf der einen Seite liegt die Stadt mit ihren Kirchtürmen und dem Rathaus, auf der anderen der Hafen mit seinen Kränen, Symbol der Globalisierung.

Globalisierung ist ein wichtiges Thema für den Weltzukunftsrat, als dessen Geschäftsführer in Hamburg Geerdts fungiert. Der Anwalt aus dem niedersächsischen Verden hat Ringe unter den Augen, aber trotzdem noch genug Energie, um ohne Unterbrechung auf den jungen Gast vom Londoner Weltzukunftsratsbüro einzureden: „There is the old harbour, und this direction you see the new one.“

Der junge Mann aus London ist da, um sein „Wissen zu transferieren“, wie Geerdts sagt. Bis zum 31. Oktober war die Zentrale des Weltzukunftsrates in London, seit Dienstag liegt sie ganz offiziell in Hamburg, in einem imposanten Backsteinhochhaus neben der Speicherstadt, in Fußnähe zu den Redaktionen von Spiegel, Zeit, Gruner + Jahr. Eine gute Adresse für eine Organisation, die darauf angewiesen ist, Öffentlichkeit herzustellen.

Bürgermeister Ole von Beust hatte den Weltzukunftsrat nach Hamburg geholt, zusammen mit dem Versandhaus-Unternehmer Michael Otto. Fünf Millionen Euro Anschubfinanzierung, zunächst befristet auf drei Jahre, haben die beiden versprochen. 2,5 Millionen kommen von der Stadt, 1,5 Millionen von Otto, für den Rest werden noch Sponsoren gesucht.

„Mit dem Rat werden wissenschaftliche Kompetenz und globaler Dialog zu wichtigen Fragen unserer Zeit gebündelt“, freute sich Beust, als der Deal im Juli verkündet wurde. Das Geld sei noch nicht auf dem Konto, sagt Anwalt Geerdts, der Repräsentant des Zukunftsrates in Deutschland war, bevor er das Büro in Hamburg übernahm. Er sei aber optimistisch, dass es bald eintreffen werde.

Dass der Zukunftsrat sein Hauptquartier ausgerechnet in Hamburg aufschlägt, ist möglicherweise kein Zufall. Der Initiator, Jakob von Uexküll, ist in Hamburg aufgewachsen. Der Deutsch-Schwede, der aus dem Vermögen seiner Briefmarkensammlung den Alternativen Nobelpreis stiftete, ist derzeit unterwegs. Dafür ist sein Stellvertreter da, Professor Herbert Girardet. „Wir machen nicht nur schönes Gerede, sondern ganz konkrete Kampagnen, die von diesem Büro in die Welt gehen“, sagt Girardet, der Stadtentwicklungs-Experte, der als Filmemacher und Gastprofessor in England lebt. Seine Augen sind wachsam.

Alle Mitarbeiter des Büros haben sich um den Konferenztisch versammelt, der Blick geht hinaus auf die Stadtseite, vom Hamburger Rathaus ist der Turm zu sehen. Der Weltzukunftsrat gibt sich nicht mit kleinen Fragen zufrieden, es geht eindeutig ums Ganze. „Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass wir eine globale Stimme brauchen, die für unsere gemeinsamen Werte als Weltbürger eintritt – Weltbürger, die sich um die Menschheit, den Planeten und die Zukunft sorgen“, schreibt Jakob von Uexküll in der Informationsbroschüre, die an Besucher verteilt wird. Auf der ersten Seite ist ein Foto von Uexküll abgedruckt, der eine Art Taucheranzug zu tragen scheint, aber vielleicht ist das auch eine Täuschung, das Foto ist nicht besonders gut. Hinter ihm ist so etwas wie eine Weltkugel zu erkennen, mit Meeren und Kontinenten.

Von Uexküll stammt auch das Wort, das World Future Council solle ein „Weltgewissen“ sein. Es wird eben beides gebraucht, die großen Visionen und die kleinen Schritte, und dafür, wie man vom einen zum anderen kommt, ist die Zentrale in Hamburg da. „Implementierung von Lösungsansätzen“ nennt das Maja Geopel, die junge Kampagnenleiterin, die derzeit noch an ihrer Doktorarbeit in Internationalen Beziehungen schreibt.

Sie trägt ein dezentes Nasenpiercing und hat im Kampagnenwesen bereits Erfahrung. Auf die Konzerne sollte man sich lieber nicht verlassen, findet Geopel. „Wir rücken die ethische Komponente in den Mittelpunkt, die zentralen Werte, die alle Menschen verbinden.“ Alle am Tisch nicken, Gerhard Geerdts, der Anwalt, schaltet sich ein. „Jeder Mensch will leben, anständig leben“, sagt er, das wisse er aus den vielen Jahren, die er in der Entwicklungsarbeit tätig war. „Und seine Kinder sollen ein besseres Leben haben.“

Trotzdem müssen die Leute vom Weltzukunftsrat, zu dessen Gründungsmitgliedern neben Wissenschaftlern wie Girardet oder Hans-Peter Duerr auch Prominente des Schlages von Bianca Jagger gehören, irgendwie auch die Entscheider erreichen. Das ist das Stichwort für Alexandra Wandel, die Entwicklungsleiterin des Büros. Sie war zuvor in Brüssel und hat dort das E-Parlament mit aufgebaut, ein Netzwerk von demokratisch gewählten Parlamentariern in aller Welt. Außerdem habe der Weltzukunftsrat Kontakte zu „Earth Action“, einem Zusammenschluss von 2.000 Nicht-Regierungsorganisationen in mehr als 150 Ländern, und die üben ja auch Druck auf die Entscheider aus.

Zunächst einmal ist das Büro aber damit beschäftigt, das „Council-Meeting“ in Hamburg vorzubereiten, eine Art „Vorstandssitzung“ des Weltzukunftsrates. Dabei soll sich Ende November das „Interim Executive Committee“ treffen, der vorläufige Vorstand. Denn nicht vergessen werden sollte, dass der Weltzukunftsrat erst in der Vorbereitungsphase ist. Deshalb steht auf der Website unter World Future Council auch das Wörtchen „Initiative“.

Der endgültige Zukunftsrat soll sich erst im Mai 2007 konstituieren. „Dieser Rat“, schreibt Jakob von Uexküll in der Informationsbroschüre, werde aus „angesehenen und aufgeschlossenen Personen aus verschiedenen Ländern, Lebensbereichen und Glaubensrichtungen bestehen“. Das Hauptquartier in Hamburg hat noch ein bisschen Zeit, bevor es wirklich ernst wird.