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Archiv-Artikel

Wehmut wird übertrieben

BEKENNTNIS Der HSV steigt ab. Ständig sieht man deshalb weinende oder lachende Menschen

Frida Kammerer

■ 23, lebt seit fast 20 Jahren in Hamburg. Obwohl ihr Herz für den HSV schlägt, kennt sie das Volksparkstadion bisher nur von außen.

Wenn meine Eltern in Südwestfalen geblieben wären, wäre ich jetzt Fan von den Sportfreunden Siegen. Oder der Borussia. Oder Schalke-Fan. Aber wir sind nach Hamburg gezogen. Also bin ich HSV-Fan, weil ich Hamburgerin bin.

In Hamburg gibt es nur den HSV oder St. Pauli als Vereine – was schon mehr Spitzenclubs sind als in anderen Regionen. Doch so unterschiedlich wie die Vereinsfarben sind auch die Fans: Während Pauli für die solidarischen und linksalternativen Fans bekannt ist, gelten die Fans vom HSV als gesitteter; was schon ein völliger Irrglaube ist. In der S-Bahn mit ca. 60 betrunkenen HSV-Fans zu fahren ist genauso unangenehm wie mit 60 Pauli-Fans. Aber das ist Fußball, das gehört dazu.

Der Dino steigt ab, damit hat Hamburg bald zwei Zweitligaclubs. Immer noch mehr als die meisten anderen Regionen. Im Radio weinte neulich jemand deswegen. Die Moderatorin wollte besänftigen: „Ist doch nicht so schlimm, dann sind Sie halt Fan von einem Zweitligaclub.“ Der Mann war wenig erfreut: „Aber das ist doch scheiße!“ Dass ein erwachsener Mensch morgens live im Radio weint, ist auch wenig erfreulich.

Die Wehmut wird übertrieben. Hamburg möchte sich immer hervortun. Als zweitgrößte Stadt Deutschlands und zweitgrößter Seehafen Europas, wir haben mehr Brücken als Venedig und und und. Passend dazu haben wir zwei Zweitligavereine.

Schade ist es trotzdem. Munter lief die Uhr im Stadion, die die Tage ohne Abstieg zählte. Bald muss sie abgestellt oder zurückgesetzt werden. Dann kann man den mangelnden Erfolg nicht mehr mit der längsten Bundesligamitgliedschaft schön reden.

Der HSV hat es immer für uns spannend gemacht: Zuerst fieberten wir um Pokale und Schalen, dann um Klassenerhalt, Relegation und Abstieg. Wir freuten uns mit dem Dino und nun weinen wir mit ihm. Auch wenn nicht jeder wirklich weint, so blutet doch vielen Hamburgern das Herz mit der Hammaburg drauf.

Ich bin sicher, auch die, die jetzt lachen und voll Schadenfreude auf den letzten Spieltag warten, wenn der HSV „endlich“ amtlich abgestiegen ist, sind ein wenig traurig: Wen sollen sie jetzt dafür hassen, dass er zu Unrecht in der ersten Liga spielt?

Aber wo ein Ende ist, ist auch ein Anfang. Immerhin können wir jetzt auf den Aufstieg hoffen.