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Archiv-Artikel

Ausgezeichnet freches Schaf

In der Ära der großen TV-Bravheit können auch Frechheit, Nonkonformismus und intelligente Unterhaltung einen Preis bekommen. Für all das steht die britische, vom WDR koproduzierte, von Aardman Animations hergestellte Fernsehserie „Shaun das Schaf“, die jetzt mit dem US-Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet worden ist. In Deutschland ist sie gekürzt sonntagnachmittags in der „Sendung mit der Maus“ und gelegentlich auch ungekürzt im Kinderkanal KI.KA zu sehen.

Wer keine Kinder hat und Kindersendungen meidet, dem sei gesagt: Bei Shaun handelt es sich um ein Herdentier und einen ausgeprägten Individualisten in einem. Das Schaf lebt mit seiner Herde auf einem britischen Bauernhof. Bewacht von einem häufig verpeilten, zur Faulheit neigenden Hund namens Bitzer, der einem extrem verpeilten namenlosen Farmer gehört. Shaun gehört zu den kleineren Tieren der Herde. Was an Größe fehlt, macht Shaun durch Intelligenz wett – sei es, um Bitzer zu helfen, den Farmer zu ärgern, einen Kleinkrieg mit den „fiesen Schweinen“ anzuzetteln oder die anderen Schafe am Ausreißen zu hindern.

Wer Kinder hat und Kindersendungen nicht meidet, der fragt sich: Ist Shaun eine Figur für Kinder oder für Erwachsene? Auf den ersten Blick spricht alles für die Kinder. Shaun ist eine animierte Knetfigur, die den Älteren Streiche spielt, mit Kohlköpfen Fußball spielt und neugierig ist. Kinder können auf Anhieb alles erfassen, was in der Serie geschieht, und Shaun selbst handelt wie ein aufgewecktes Kind. Auch die Slapstickeinlagen und der Verzicht auf Sprache kommen Kindern entgegen. Erwachsene erkennen möglicherweise aber mehr.

Wie schon die Aardman-Produktion „Wallace & Gromit“, in der Shaun bereits einen Gastauftritt hatte, steckt „Shaun das Schaf“ voller Anspielungen auf Kinofilme und Fernsehserien und voller sorgfältig platzierter Details. Außerdem erkennen wir im Farmer eigene Verhaltensweisen. Vor allem in seinen Eitel- und Unzulänglichkeiten, seinen Freuden und Mühen des Alltags. Aus Shauns Augen sehen wir uns plötzlich selbst und begreifen, wie wir auf Kinder wirken: tolpatschig durch eine rätselhafte Welt stolpernd, aber liebenswert.

MAIK SÖHLER