: „Umweltzonen lohnen sich auf jeden Fall“
LUFT II Gefährlich sind insbesondere die Feinstaubpartikel, die bis in die Blutbahn dringen, sagt Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe. Diese können durch Umweltzonen gezielt verringert werden
■ leitet bei der Deutschen Umwelthilfe in Berlin den Bereich Verkehr und Luftreinhaltung. Die Landschaftsplanerin und Diplomingenieurin war vorher u. a. bei der Deutschen Energie-Agentur.
taz: Frau Saar, Kaminöfen sehen toll aus und sind klimaneutral. Aber auch Umweltorganisationen erkennen ihre gesundheitlichen Gefahren. Sie fordern nun, dass die Hersteller Filtertechnologien entwickeln. Die Öfen, die jetzt schon brennen, macht das nicht sauberer.
Dorothee Saar: Deswegen fordern wir auch finanzielle Anreize, um die bestehenden Anlagen nachzurüsten oder gegen modernere auszutauschen. Aber ein solches Förderprogramm kann nur eine von vielen Maßnahmen sein. Wichtig ist auch, die Verbraucherinformationen zum richtigen Betrieb solcher Öfen zu verbessern. Das fängt im Baumarkt an, wo man sie kauft.
Was fordern Sie noch?
Die bestehenden Grenzwerte müssen regelmäßig dem Stand der Technik angepasst werden. In diesem Zusammenhang dürfen EU-Vorgaben nicht zu einer Aufweichung nationaler Regelungen führen. Andererseits kann eine Stadt wie Berlin die Vorgaben auch über diese Regelungen hinaus verschärfen.
Im laufenden Jahr haben einige Messstellen in Berlin schon fast den EU-Jahresgrenzwert für Feinstaub erreicht.
Dieser Feinstaub der Kategorie PM10 stammt ja aus vielen unterschiedlichen Quellen. Neben Heizungen von Privathaushalten und dem Verkehr vor Ort kommt er auch durch weiter entfernte Industrie und Landwirtschaft, durch aufgewirbelte Erde. Zuletzt ist wieder Staub aus der Sahara in unsere Region geweht.
Weil diese externen Einflüsse manchmal so viel entscheidender sind als die lokalen, werden wieder Stimmen laut, die ein Ende der Umweltzonen fordern. Ist da nicht was dran?
Umweltzonen lohnen sich auf jeden Fall, denn der Verkehr leistet einen bedeutenden Beitrag zur Feinstaubbelastung. Richtig ist: Manche Bestandteile wie den Reifenabrieb oder Aufwirbelungen bekommt man auch durch eine Umweltzone nicht in den Griff. Aber die Abgasemissionen können wir beeinflussen, und bei denen hat es durch die Umweltzone auch in Berlin eine deutliche Reduktion gegeben. Besonders die Belastung durch Dieselrußpartikel lässt sich so reduzieren. Der Dieselruß macht zwar bei der Gesamtmenge an PM10-Partikeln nicht so viel aus, weil er so wenig wiegt. Aber für die Gesundheit sind diese ultrafeinen Teilchen sehr relevant.
Das heißt, Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub?
Überhaupt nicht. Die gröberen Bestandteile können ja in den oberen Atemwegen abgefangen werden. Dann ist eben die Nase zu oder man hustet – auch das ist eine Belastung, die reduziert werden muss. Wirklich gefährlich sind aber die Partikel, die bis in die Blutbahn dringen. Und die kann man durch eine Umweltzone gezielt verringern, weil man eben die Fahrzeuge mit hohen Emissionen adressiert.
Laut Senat läge der Ausstoß von PM 10 -Partikeln an Hauptverkehrsstraßen ohne die Umweltzone um 5 bis 10 Prozent höher. Für einen Laien klingt das jetzt nicht nach so viel.
Wie gesagt, es geht dabei um einen Anteil ultrafeiner, aggressiver Teilchen. Aber natürlich ist die Umweltzone nicht der Königsweg, mit dem man alle Probleme löst. Man muss parallel den ÖPNV attraktiver machen, Radwege ausbauen und auch mehr für Fußgänger tun, um den motorisierten Verkehr insgesamt zu reduzieren.
Wäre es sinnvoll, die Umweltzone zu vergrößern?
Eher nicht. Ganz einfach weil sich nach unseren Erkenntnissen die Fahrzeugflotte auch außerhalb der Umweltzone modernisiert hat. Denn auch viele von denen, die außerhalb der Zone wohnen oder arbeiten, müssen ja irgendwann mal hinein.
Die EU-Kommission könnte Mitgliedsstaaten wegen dauernder Überschreitung von Grenzwerten verklagen. Getan hat sie es aber noch nie. Warum eigentlich nicht?
Das ist ein mehrstufiges, recht langwieriges Verfahren, bei dem es zwischen der Kommission und dem einzelnen Staat mit Anfragen und Stellungnahmen hin und her geht. In manchen Fällen ist das aber schon ziemlich weit fortgeschritten. In London hat man ganz neue Maßnahmen in den städtischen Luftreinhalteplan aufgenommen, weil die Kommission denen ziemlich auf die Pelle gerückt ist. Oft reicht eben schon die Androhung rechtlicher Mittel, damit sich etwas bewegt.
INTERVIEW: CLAUDIUS PRÖSSER