: „Elende Bedingungen“
VORTRAG Amnesty International ergründet Perspektiven für einen Frieden in Kolumbien
■ 65, ist Hochschullehrer in Oldenburg und Mitglied bei Amnesty International.
taz: Herr Kleinspehn, gibt es berechtigte Hoffnungen auf einen Frieden in Kolumbien?
Thomas Kleinspehn: Solange da nichts unterschrieben ist, glaube ich an nichts – in den letzten Jahrzehnten hat es immer wieder Versuche gegeben, einen Frieden in Kolumbien zu schaffen. Der ist dann oft in letzter Minute gescheitert. Das Problem ist: Im Moment finden zwar Gespräche zwischen der Regierung und der Guerillagruppe FARC statt, aber die Paramilitärs bleiben da außen vor gelassen. Und solange die nicht eingebunden werden, habe ich Bedenken, dass es wirklich zu einem nachhaltigen Frieden kommen kann.
Wie könnte eine neue Ordnung für Kolumbien aussehen?
Ich kann keine Utopien entwerfen. Es muss vor allem überlegt werden, wie die Bedingungen für die Bevölkerung verbessert werden können. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen ist es zu einer massiven Landflucht gekommen. Mindestens 4,5 Millionen Menschen mussten aus ihren Dörfern fliehen und leben nun unter elenden Bedingungen am Rande der Städte.
Geht es in diesem Krieg nur um Drogen – oder auch um andere Fragen?
Manches hat sich da verselbstständigt. Dahinter steht aber das soziale Problem, das Problem der Gerechtigkeit. Die FARC hatte, zumindest am Anfang, eine soziale und ökonomische Dimension im Auge, indem sie versucht haben, den Bauern zu ihrem Recht zu verhelfen und sie zu schützen vor den Übergriffen der Oligarchen auf ihr Land.
Ein Problem ist: Der Staat ist in Kolumbien sehr schwach. Wie kann man das ändern?
Der Staat ist in den letzten 50 Jahren heruntergewirtschaftet worden, vor allem aber durch den letzten Präsidenten Alvaro Uribe, der sich sehr mit den Oligarchen und den Paramilitärs verbündet hat. Aber es hat auch Entscheidungen der Obersten Gerichte gegeben, die auf den Rechtsstaat gepocht und damit Uribes Macht beschränkt haben. Es gibt durchaus ein demokratisches Potenzial in Kolumbien.
Was verbindet Sie bei AI nun konkret mit Kolumbien?
Wir unterstützen ein „Friedensdorf“ im Nordwesten des Landes. Es versucht, sich aus den Auseinandersetzungen herauszuhalten, indem es weder mit den Paramilitärs noch mit der FARC zusammenarbeitet und auf Neutralität setzt. INTERVIEW: JAN ZIER
19.30 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz