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Archiv-Artikel

„Fifa-Weltmeister 2050 werden“

ROBOTIK Die Fußballroboter der Freien Universität können foulen und Tore schießen. Schöne Spielerei? Ja – und Zukunftsforschung für die Industrie, sagt Teamchef und Informatiker Daniel Seifert

Daniel Seifert

■ 35, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Teamleiter der Fußballroboter-Mannschaft der Freien Universität. Die Entscheidungen der Roboter seien zwar rational, aber nicht immer die besten, findet er.

INTERVIEW ANNA BORDEL

taz: Herr Seifert, können die Roboter Freude empfinden, wenn sie ein Tor geschossen haben?

Daniel Seifert: Technisch gesehen noch nicht. Wir feuern sie an und freuen uns doppelt für sie mit.

Die FU-Fußballroboter haben den diesjährigen RoboCup, eine internationale Wettkampfserie für humanoide Roboter, gewonnen. Klingt, als seien Ihre Maschinen Profis.

Wir haben die deutsche Meisterschaft gewonnen und auch wenige Tage später die iranische. Das waren zwei ziemlich anstrengende Wochen für uns und für die Roboter. Jetzt sind sie gerade im Urlaub, denn an der Weltmeisterschaft in Brasilien werden wir dieses Jahr leider nicht teilnehmen. Das gibt das Budget nicht her.

Wie schafft man es in die Champions League der Fußball-Roboter?

Wir bauen zum Beispiel die Hardware selbst. Wenn wir sehen, dass es irgendwo ein Problem gibt, können wir das selber beheben und sind nicht darauf angewiesen, dass der Hersteller etwas Neues herausbringt. Und wir haben inzwischen Erfahrung. Seit 2007 nehmen wir erfolgreich am RoboCup teil, den es übrigens schon seit 1997 gibt. Damals wurde Kasparow, der damalige Schachweltmeister, von einem Computer besiegt, und man hat daraufhin nach etwas Dynamischerem als Schach gesucht. Es gibt beim Schach eine zwar große, aber endliche Anzahl an Möglichkeiten. Beim Fußball geht es wesentlich komplexer zu.

Sind die Roboter ferngesteuert – oder vorprogrammiert?

Die Roboter sind beim Spiel vollständig auf sich alleine gestellt, das ist das Faszinierende an dem Wettbewerb. Die Roboter kommunizieren untereinander über WLAN und nehmen alles über ihre Kamera wahr. Sie müssen 30 Bilder pro Sekunde verarbeiten und erkennen: Wo ist der Ball, wo ist mein Tor und wie komme ich da am besten hin. Das Einzige, was wir noch machen können, ist, uns die Haare raufen, wenn es mal nicht klappt.

Das klingt sehr rational. Sind die Roboter damit einem menschlichen Fußballspieler in einem emotionalen Spiel überlegen?

Das Ziel vom RoboCup ist es, 2050 die dann amtierenden Fifa-Weltmeister zu besiegen. Davon sind wir aber noch weit weg. Rationale Entscheidungen sind nicht immer die besseren. Manchmal steht man als Mensch daneben und denkt: Nein, so nicht.

Unterscheidet sich ein RoboCup-Spiel von einem normalen Fußballspiel?

Im richtigen Fußball kommt es eher selten vor, dass einem Spieler ein Arm abfällt. Im Finalspiel im Iran sind zwei Robotern von uns die Arme gebrochen. Da wurden dann in der Halbzeit neue Motoren eingesetzt und die Arme wieder angeschraubt. Das in zehn Minuten zu schaffen war ziemlich hektisch.

Wird auch mal gefoult?

Es gibt Gelbe und Rote Karten, die werden aber sehr selten vergeben. Es gibt, denke ich, kein Team, das mit Absicht foult. Es passiert schon mal, dass einer gegen das Knie des anderen tritt. Im wirklichen Fußball wäre das ein Foul, der Roboter kann es in dem Moment einfach nicht besser.

Warum stecken Sie überhaupt so viel wissenschaftliche Energie in Roboter, die Fußball spielen können?

Fußball ist ein sehr gutes Mittel für die Forschung. Jeder weiß, wie Fußball geht. Zum einen können wir Wissenschaft so öffentlichkeitswirksam präsentieren. Zum anderen sind die Turniere ein Praxistest für unsere Forschung.

Praxistest – für was denn? Würden die Fußballroboter zum Beispiel auch gute Haushaltshilfen abgeben? In Asien etwa sind Haushaltsroboter in mehr oder minder menschlicher Gestalt ja bereits im Einsatz.

Haushaltsroboter könnten von den Fußballern zum Beispiel das Laufen lernen. Momentan rollen sie noch. Laufen eignet sich aber besser fürs Treppensteigen. Man sollte auch an die Altenpflege denken: Irgendwann könnten für gewisse Aufgaben Roboter eingesetzt werden. Auch in der Automobilindustrie wird immer mehr automatisiert – und das ist nichts anderes als Robotik.

Was steht als Nächstes auf dem Trainingsplan für die FU-Fußballer?

Wir wollen versuchen, dass die Roboter intelligenter miteinander spielen. Momentan sind ihre Entscheidungen noch nicht optimal. Unser Traum ist außerdem ein Lautsprecher für jeden Roboter. Wenn etwa die Spieler des britischen Teams hinfallen, dann sagen sie „Autsch“. Das ist bloß eine Spielerei, aber lustig. Ansonsten bereiten wir uns natürlich schon auf die Weltmeisterschaft 2015 vor.

Am Samstag kann man die Roboter während der Langen Nacht der Wissenschaften in Aktion erleben: Im Institut für Informatik der FU finden u. a. Freundschaftsspiele gegen andere Teams statt, Takustraße 9, Dahlem. Lange Nacht der Wissenschaften, 17–24 Uhr, Infos und komplettes Programm: www.langenachtderwissenschaften.de