: Putzhilfe mit Diplom
QUALIFIKATION Diakonie eröffnet Anlaufstelle für Menschen mit im Ausland erworbenen Abschlüssen. Bis zu 24.000 Betroffene in Hamburg. Sind für die Anerkennung Nachqualifikationen nötig, gibt es Bafög-ähnliche Stipendien
Michael Gwosdz, Projektleiter
VON ELENA OCHOA
Wer sich in ein Taxi setzt, erwartet nicht, mit dem indonesischen Fahrer philosophische Gespräche führen zu können. Die Putzkraft mit Migrationshintergrund im Schnell-Imbiss soll wirklich einen akademischen Abschluss haben? Sie kommen aus dem Ausland. Sie haben einen Beruf gelernt, oder sogar auch studiert. Trotzdem arbeiten sie als Kantinenhilfe oder Pizza-Bote. Man findet sie meist in nicht reglementierten Berufen und weniger in dem Job, den sie erlernt haben. Der Grund: die fehlende Anerkennung ihres Abschlusses.
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde startet nun zusammen mit dem Diakonischen Werk Hamburg ein Projekt, das den Betroffenen beim Anerkennungsverfahren ihrer Abschlüsse helfen soll. Die „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“ vergibt Stipendien und bietet Beratung an. Wer Fragen oder Probleme hat, wendet sich an die geschulten Berater der Diakonie.
So ein Anerkennungsverfahren kann über ein Jahr dauern und Geld kosten. Die Ausbildungswege im Herkunftsland müssen erstmal mit dem deutschen Regelwerk abgeglichen werden. Ein problemloser Ablauf ist deshalb nicht garantiert. „Beim Mediziner beispielsweise stellt man dann doch fest, dass gewisse Lücken bestehen, in Bereichen, die im Herkunftsland nicht geprüft wurden“, berichtet Michael Gwosdz, der das Diakonie-Projekt leitet. „Man bräuchte in dem Fall vielleicht einen Vorbereitungskurs, weil spezielle Kenntnisse in Urologie fehlen.“
Prüfungen können wiederholt werden, Lehrgänge besucht oder ein Teil eines Studiums hinten angehängt werden. Doch wer in ein fremdes Land kommt, scheut meist den Weg zur Nachbildung. Wer einen Kurs belegt – ob nun in Teilzeit oder Vollzeit – verdient kein Geld, oder nur sehr wenig. Die Angst in einem fremden Land ohne Geld dazustehen, ist zu groß.
Hier soll ein gezieltes Stipendienprogramm helfen. Zusammen mit der Hamburgischen Wohnungsbaukreditgesellschaft bietet die Diakonie ein Bafög-ähnliches Programm an, das Zuwanderer während ihres Anerkennungsverfahrens fördert. Bei Bedarf gibt es Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Es werden Kosten für die Übersetzung von Dokumenten übernommen, Kurse bezahlt oder Gebühren ausgeglichen.
Wie viele Betroffene es in Deutschland wirklich gibt, ist indes unklar. „Es gibt keine zuverlässigen Statistiken“, sagt Gwosdz. Auch dafür gebe es das Projekt.
Bislang konnte statistisch nicht erfasst werden, wie viele Zuwanderer mit nicht anerkannten Schul–, Berufs– oder Universitätsabschlüssen in Deutschland leben. Die Software in den Arbeitsämter war hierauf nicht eingestellt. Es wurde in solchen Fällen ein Haken bei „ohne Abschluss“ gemacht. „Ein Diplom-Ingenieur aus der Türkei oder aus Spanien wurde vorher als nicht qualifiziert eingestuft“, berichtet Gwosdz. Dies sei auch Grund für die statistischen Verzerrungen. Die Aussage: „Wir haben so viele unqualifizierte Migranten, die alle arbeitslos sind, stimmt womöglich gar nicht.“
Das Bundesarbeitsministerium schätzt, dass ungefähr 300.000 Leute in Deutschland von einem guten Anerkennungsgesetz profitieren würden. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde rechnet angesichts dieser Zahl mit rund 6.000 Betroffenen. Andere Studien, so Gwosdz, schätzten das Potenzial aber sogar auf 1,3 Millionen Menschen deutschlandweit. Rechne man das herunter, könnten „in Hamburg auch 24.000 Betroffene leben“.
Die erste bundesweite Studie zu der Problematik erschien erst 2007 unter dem Namen „Brain-Waste“. Die Autorinnen Bettina Engelmann und Martina Müller sehen die Zersplitterung der Zuständigkeiten als größtes Problem. Zu viele verschiedene Stellen sind an einem Anerkennungsverfahren beteiligt. Dies bestätigt auch Günther Wielgoß, Sprecher des 2007 zur Begrüßung von neuen Bürgern eingerichteten „Welcome Center Hamburg“. „Die Zuständigkeiten sind sehr weit verstreut. Wir konnten nur qualifiziert weitervermitteln“, sagt Wielgroß.
Fallbeispiele in „Brain-Waste“ zeigen die Undurchsichtigkeit des Systems. Wenden sich Zuwanderer an die falsche Stelle, werden sie oft abgewiesen ohne Hinweis auf andere Möglichkeiten. Viele Befragte erfuhren erst durch die Studie, dass sie womöglich einen Anspruch auf Anerkennung haben.
Das Projekt „Zentrale Anlaufstelle Anerkennung“ wurde zunächst von der Stadt Hamburg der Diakonie übertragen. Dort soll erfasst werden, wie viele Bürger wirklich kommen und Anträge stellen oder Beratung brauchen. In zwei Jahren soll das Programm zurückverlagert werden in eine städtische Einrichtung. Das Welcome Center übernimmt von dort an die Beratung und Vergabe der Stipendien.
In der zweijährigen Pilotphase kann sich das Center personell und finanziell auf die Anforderungen einstellen. „Brain-Waste“-Autorin Müller hält dieses Projekt für „sehr innovativ. Etwas vergleichbares in Deutschland kenne ich bisher nicht“.