: Abstinente Bochumer
Der VfL Bochum beschenkt Trainer Marcel Koller mit einem Punkt in Berlin verspielt dabei aber eine 3:1-Führung
BOCHUM taz ■ Sekt gab es nicht auf der Rückfahrt, auch das Bier blieb im Kühlschrank. Bochums Trainer Marcel Koller feierte seinen 46. Geburtstag im Kreise seiner Mannschaft mit alkoholfreien Getränken. Wer die reinen Zahlen des Wochenendes liest, mag sich darüber wundern. Der Tabellenletzte VfL Bochum schaffte beim heimstärksten Team der Bundesliga immerhin ein 3:3. Als Stimmungskiller diente die Tatsache, dass der VfL in der zweiten Halbzeit eine 3:1-Führung verspielte. Diese Dramaturgie ließ keine ungehemmte Freude mehr zu.
„Wir führen hier 3:1 – das muss in Berlin eigentlich reichen“, sagte Mittelfeldmann Zvjezdan Misimovic nach dem Spiel. Die Aussage ist angesichts der bisherigen Heimstärke der Hauptstädter etwas gewagt. Misimovic selbst hatte die Führung der Bochumer zu verantworten. Den Ausgleich von Theofanis Gekas bereitete er in der 39. Minute vor, in der 45. und 47. Minute traf er selbst. Richtig freuen konnte er sich trotzdem nicht.
Für den Bosnier war der Auftritt ein überraschendes Comeback. Zuletzt musste er zweimal aussetzen. Wegen einer Wadenverletzung, hieß es. Gerüchte sprachen von einer Denkpause für den allzu lässig wirkenden Spielmacher. Trainer Marcel Koller hatte den sprintschwachen Techniker nach der 0:1-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg vor zwei Wochen in aller Öffentlichkeit in Frage gestellt: „Ich muss ihn fragen, wie er in Zukunft spielen möchte“, sagte Koller damals. Vorangegangen war ein Interview, in dem Misimovic der Öffentlichkeit mitteilte, er wolle auch einmal international spielen. Das Umfeld reagierte gereizt, die Allianz Misimovic und Bochum schien keine Zukunft mehr zu haben.
Nun ist es wohl so, dass Misimovic mit seinen beiden Treffern den eigenen und auch den Arbeitsplatz seines Trainers vorerst gerettet hat. Angesichts der im Saisonverlauf gezeigten spielerischen Nicht-Leistung der Rest-Bochumer führt am Bosnier eh kein Weg vorbei und ein angemessener Trainer ist derzeit wohl auch nicht auf dem Markt. Sportdirektor Stefan Kuntz wollte jedenfalls von einer Trainerdiskussion nichts wissen. „Die hat es nicht gegeben.“ Außerdem sei er überzeugt, dass das Team am Freitagabend gegen Eintracht Frankfurt „eine ganz starke Leistung“ zeigen werde.
Natürlich muss Kuntz versuchen, das Produkt VfL Bochum einigermaßen positiv zu verkaufen. Glaubhaft klingt er dabei aber nicht. In allen sechs Auswärtsspielen zeigten die Bochumer ansprechende Leistungen, zu Hause reichte es in sechs Spielen aber gerade mal zu einem Sieg. Das spielerische Unvermögen wurde dabei allzu offensichtlich. Das Publikum ging ob der Darbietungen jenseits der Schmerzgrenze regelmäßig auf die Barrikaden, forderte die Ablösung des Trainers oder blieb zu Hause. Zuletzt sackte die Zuschauerzahl unter die 20.000er Marke – und passte sich damit der zweitligatauglichen Leistung der Mannschaft langsam an.
„Zu Hause muss es jetzt endlich mal knallen!“, sagte Kapitän Thomas Zdebel am Samstag und wiederholt damit das Credo der vergangenen Wochen. Bislang blieben die Kampfansagen ohne Folgen. Die harten Alkoholika sollten trotzdem kalt gestellt werden. Einen Grund zum Besäufnis wird es in jedem Fall geben. HOLGER PAULER