Tippen nur am Rhein

NRW-Kommunen gehen nach dem Zufallsprinzip gegen private Wettbüros vor: Einige Städte haben alle Buchmacher verjagt, andere lassen die Sportwetter gewähren. Bis zu 700 Wettbüros offen

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Auf Sportereignisse tippen zu dürfen ist in NRW reine Glückssache: Im Rheinland sind private Sportwetten zumeist gestattet, im Ruhrgebiet werden die Buchmacher von den Ordnungsämtern vielerorts verfolgt. Weil die Kommunen keine einheitliche Linie haben, ist das Bundesland zum juristischen Flickenteppich geworden. „Nur 30 bis 40 Prozent der Läden sind zu“, sagt Norman Albers vom Deutschen Buchmacherverband in Essen. 600 bis 700 von ursprünglich rund 1.000 privaten Wettbüros in NRW seien geöffnet. Auch Ingrid Sebald vom Verband Europäischer Wettunternehmer spricht von einer „unübersichtlichen Lage“, die den Politikern in Düsseldorf zu denken geben sollte.

Nach dem Willen der schwarz-gelben Landesregierung sollten eigentlich alle Wettbuden an Rhein und Ruhr dicht sein. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte die Durchsetzung des „staatlichen Lotteriemonopols“ nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts im Frühjahr zur Chefsache gemacht; die Ordnungsämter in den NRW-Kommunen sollten die privaten Wettbüros schließen.

Doch zahlreiche Wettunternehmer klagten vor den NRW-Verwaltungsgerichten gegen die Durchführung der Schließungen. Da die Verwaltungsrichter etwa in Köln aus EU-rechtlichen Gründen gegen die Ordnungsämter urteilten, sind die Läden in vielen rheinischen Städten geöffnet. „Aufgrund der unsicheren Rechtslage halten wir uns zurück“, sagt eine Sprecherin der Stadt Bonn. Auch in Köln gehören Wettbüros weiterhin zum Straßenbild. In Bochum, Essen und den meisten Städten des Ruhrgebiets verfolgen die Behörden dagegen die harte Linie der CDU/FDP-Landesregierung.

Nach Ansicht des Duisburger Rechtsanwalts Guido Bongers trauen sich viele Städte nicht zu vollstrecken – auch aufgrund drohender Millionenklagen von Wettbüro-Besitzern. „In NRW gibt es eine verschuldungsunabhängige Haftung, die die Kommunen nicht von sich weisen können“, sagt er. Ein „buntes Bild“ sieht auch der Bonner Rechtsanwalt und Wettrechtsexperte Thomas Bartholmes. Manche Kommunen zögerten, weil sich die Landesregierung weigere, sie von möglichen Schadenersatzforderungen freizustellen. Deshalb entstehe ein regelrechter Tourismus von Sportwettern: „Interessierte Kunden beginnen längst zu reisen.“

Am 13. Dezember wollen die Ministerpräsidenten das Glücksspielmonopol bei Wetten und Lotto per Staatsvertrag neu regeln – trotz Kritik aus Brüssel. EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy will den Staatsvertrag zum Lotteriewesen nämlich nicht hinnehmen. Die Regelungen benachteiligten private Anbieter, sagte der irische Politiker Ende Oktober. Sie widersprächen damit der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt und verstießen so gegen EU-Recht. Niemand hindere Deutschland daran, strenge Regeln für das Glücksspiel zu erlassen. „Es müssen nur Regeln sein, die für jeden gleichermaßen gelten, also für private und staatliche Anbieter.“

Während andere CDU-Länder deshalb Änderungen am Staatsvertrag prüfen, bleibt NRW bei seiner starren Haltung gegen private Anbieter. Zwar gilt FDP-Innenminister Ingo Wolf als Monopolgegner, aber die Federführung liegt bei Rüttgers‘ Staatskanzlei. Ein Regierungssprecher zur taz: „An dem Zeitplan für den neuen Staatsvertrag hält die Landesregierung fest.“ Die Grundsatzentscheidung, wie sie sich im Staatsvertrag widerspiegele, sei in der Koalition „erörtert und abgestimmt“ worden.