: Tüddeldüddeldim!
Der neue Telekom-Chef René Obermann verspricht, der Konzern werde nicht „zum billigen Jakob“. Gut so. Auf der Flucht vor den Marktschreiern ist die Telekom oft das letzte Refugium der Ruhe
von ARNO FRANK
Wenn es etwas gibt, das seit der „kundenfreundlichen“ Privatisierung des Telekommunikationsmarktes kontinuierlich zugenommen hat, dann ist es das Dickicht aus privaten Anbietern und deren immergleiche Sirenengesänge: Billig! Billiger! Am billigsten! Kostenlos!
Nun hat also der ehemalige Monopolist einen neuen Chef, René Obermann, und der verspricht: „Der Wettbewerb wird härter, die Preise bewegen sich nach unten“, um im gleichen Atemzug einzuschränken, die Telekom werde damit „nicht zum billigen Jakob der Branche“.
Als vor ein paar Jahren die Telekom mit an die Börse gegangen war, galt als rückständiger Ignorant, wer sich nicht auch ein Aktienpaket besorgt hat. Heute wird schon belächelt, wer überhaupt noch Kunde der Telekom ist. Wie kann man nur so blöd sein? Für Festnetz, Mobilfunk oder Internet gibt es doch lääängst günstigere Anbieter! Arcor beispielsweise! Oder Freenet! Die süße Alice! Oder diese andere Firma, für die Frau Ferres so hübsche Luftblasen produziert!
Das mag sein, es mag irgendwann aber auch nicht mehr so sein. Einem rückständigen Ignoranten wie mir waren schon die „billigen“ Vorwahlnummern nicht geheuer, mit denen sich die fies hochpreisigen Telekom-Tarife elegant umgehen ließen.
Auf den gut gemeinten Rat medienkompetenter Freunde hin wählte ich also wochenlang die 01030 vor, bis mich die medienkompetenten Freunde bestürzt darauf aufmerksam machten, dass neuerdings doch die 010030 viel billiger sei – oder war’s die 01086? Wollte ich ganz sicher gehen, gebe es da ja im Internet eine Seite mit den immer aktuellen, jeweils günstigsten Vorwahlnummern. Spätestens jetzt dämmerte mir, dass die Suche nach dem „kundenfreundlichsten“ Anbieter allmählich zum Full-Time-Job ausartete und ich Besseres zu tun hatte, als die im Fünfminutentakt wechselnden Preise ominöser Unternehmen wie Versatel, 3U, Telegate, Tellfon oder Talkline miteinander zu vergleichen.
Als dann der Chef von Talkline, ein gewisser Kai-Uwe Ricke, zur Telekom wechselte, nahm ich das als Zeichen – und stolperte direkt in die Arme der tückischen Firma Tele 2, die mir am Telefon einen Vertrag für ihr permanent vorgeschaltetes Vorwahlangebot aufschwatzte. Warum? ich war resigniert, sehnte mich nach Ruhe und fügte mich drein. Damit war die Festnetzfrage geklärt, und die Mobilfunkfrage stellte sich erst gar nicht – so billig kann ein konkurrierender Anbieter gar nicht sein, dass ich dafür Werbe-SMS in Kauf nehme. Dafür stellte sich bald die DSL-Frage immer drängender. In wessen Hände sollte ich das Update meiner Telekommunikationsgewohnheiten legen?
Als offen Unschlüssiger wurde ich auch hier von guten Ratgebern bestürmt, die mich mit den technischen Details und den „preiswerten Vorteilen“ verschiedenster DSL-Anbieter regelrecht bombardierten. Allein, ich wollte von „Splittern“ und „Speedports“ und „Flatrates“ nichts wissen. Auch wollte ich mich keineswegs für das Studium der Kommunikationselektronik einschreiben. Ich wollte meine Ruhe. Deshalb schaute ich nicht rechts, nicht links, spazierte zu meinem T-Punkt, verließ ihn mit einer riesigen magentafarbenen Stofftüte voller Hardware, schloss den Krempel zu Hause an – und gut is’. Kaum übrigens hatte Tele 2 von meiner DSL-Entscheidung Wind bekommen, klingelte das Telefon: „Sie wissen schon, Herr Frank, dass Sie bei der Telekom zwei Cent für Anrufe in andere Netze bezahlen müssen?“, sagte die Tele-2-Tante: „Haben Sie das Kleingedruckte nicht gelesen?“ – „Äh, nein …“, das hatte ich natürlich nicht: „Aber wissen Sie was? Petzen kann ich auf den Tod nicht ausstehen! Rufen Sie mich bitte nie wieder an.“ Später las ich dann im Kleingedruckten, dass meinem Lieblingsmonopolisten so gut wie alle Netze gehören und er für Anrufe in die extrem seltenen Fremdnetze tatsächlich Geld kassiert – aber nicht zwei, sondern gerade mal 0,02 Cent. Und 0,02 Cent, das sollte mir meine Ruhe allemal wert sein.