: Der Etat als Wille und Vorstellung
HAUSHALT Nach Hamburg und Hessen bilanziert Bremen jetzt auch kaufmännisch, um mehr Transparenz für künftige Belastungen zu schaffen
Erstmals hat Bremen nach dem kaufmännischen Prinzip der doppelten Buchführung für sich Bilanz gezogen.
■ Die Bilanzssumme liegt bei 21 Milliarden Euro, das fehlende Eigenkapital wird auf 12,7 Milliarden Euro beziffert. Zum Vergleich: Hamburg kommt in seiner Bilanz auf einen Fehlbetrag von 1,2 Milliarden Euro, Hessen sogar auf 64,8 Milliarden Euro.
■ Die Verbindlichkeiten Bremens liegen in der Bilanz bei 15,8 Milliarden Euro, für künftige Pensionslasten wurden 4,6 Milliarden Euro zurück gestellt. (taz)
Die Bilanz Bremens ist negativ, diese Botschaft ist nicht neu. Das sagt auch die Finanzsenatorin Karoline Linnert selbst: „Wir sind überschuldet.“ Neu ist nur die Art und Weise ihrer Verkündung. Die Sicht der Dinge ist eine andere, wenn man die Haushaltsnotlage des Landes einmal streng betriebswirtschaftlich betrachtet.
Das gab es bislang nicht, denn die traditionelle, „kameralistische“ Haushaltsführung listet nur, einer Momentaufnahme gleich, Jahr für Jahr die geplanten Einnahmen und Ausgaben auf und stellt sie den tatsächlichen gegenüber. Doch das schafft weder eine vollständige Übersicht über das Vermögen und die Schulden des Landes, noch über den Ressourcenverbrauch oder die Frage, wie groß die finanzielle Vorbelastung für zukünftige Generationen genau ausfällt. Die Kameralistik ist deshalb in jüngster Zeit vermehrt in die Kritik geraten. Deshalb hat nach Hamburg und Hessen auch Bremen jetzt sich selbst – wie eine Firma – nach dem kaufmännischen Prinzip der doppelten Buchführung bilanziert. Auch wenn Linnert sagt, „niemals“ würde sie Bremen mit einer Firma vergleichen.
Selbst wenn Bremen all sein Vermögen zu Geld machte, so würden doch 12,7 Milliarden Euro fehlen. Das ist zehnmal mehr als in Hamburg und fünfmal weniger als in Hessen. Wichtiger ist aber, dass die Bilanz – anders als das aktuelle Haushaltsgesetz – auch auflistet, wie viel Pensionslasten Bremen für seine BeamtInnen zu tragen hat: Sie sind mit 4,5 Milliarden Euro ausgewiesen werden bis 2020 weiter ansteigen – auf dann 375 Millionen Euro pro Jahr. „Diese Betrachtung hilft, politische Entscheidungen in ihrer ganzen Tragweite zu beurteilen“, sagt Linnert. Zum Beispiel jene von gestern: Da hat der Senat beschlossen, im kommenden Jahr 120 zusätzliche Polizei-AnwärterInnen einzustellen.
Andererseits treibt der Versuch, Bremens „Vermögen“ zu bilanzieren, gelegentlich auch seltsame Blüten: Zwar tauchen die Hafenanlagen mit 109 Millionen Euro auf, der Roland aber, wie andere Denkmäler, nur mit einem „Buchwert“ von einem Euro. Und das Rathaus steht, ohne sein Grundstück, mit 1,7 Millionen Euro in der Bilanz. Weltkulturerbe ist eben kein Wert, den man kaufmännisch messen könnte. Oder, um es mit Linnert zu sagen: „Es gibt keine andere Möglichkeit, sich der Wirklichkeit zu nähern als durch Fiktion“. MNZ