Die Front am Lerchenberg

Warum so spät: Das ZDF arbeitet die eigene Ausspähung durch die DDR-Stasi auf („Die Feindzentrale“, 23.45 Uhr)

Möglicherweise ist das der Schlüsselsatz, um die Malaise des Michael Schmitz zu verstehen: „Jemand, der von anderen Offenheit erwartet, bekommt die nur, wenn er selber offen ist.“ Und offen war er wohl, der Ostberliner Korrespondent des ZDF. Alle zwei Monate traf er sich ab Mitte der Achtzigerjahre im Osten der Stadt mit einem Mann, den er als Vertreter des DDR-Journalistenverbandes kennengelernt hatte.

Jovial sei der gewesen, offen für Kritik am realsozialistischen System – aber immer grundsätzlich loyal zum sozialistischen Modellversuch. So loyal, dass Michael Schmitz, der durchaus kritisch über die Unterdrückung der Bürgerrechtsbewegung in den letzten Tagen der DDR berichtete, in den so genannten Rosenholz-Dateien unter dem Decknamen „Cousin“ registriert wurde. Denn der Bekannte von Schmitz hieß Hans Eichhorn und war Major beim Ministerium für Staatssicherheit.

Der Fall Schmitz ist einer von vielen in der zweiteiligen Dokumentation „Feindzentrale“, in der der Filmemacher Christhard Läpple der Frage nachgeht, welchen Einfluss die Stasi auf die Berichterstattung des ZDF hatte. Um es vorweg zu sagen: Genau beziffern lässt sich diese Einflussnahme nicht. Auch dafür steht exemplarisch der Fall „Cousin“. Erst gestern nachmittag teilte das ZDF per Pressemeldung eilig mit, dass es sich auch laut Stasi-Unterlagen-Behörde bei dem IM- Vorgang „Cousin“ definitiv nicht um Michael Schmitz handle. Vielmehr sei, so das ZDF, „unter diesem Decknamen eine andere Person mit deckungsgleichen biografischen Angaben geführt worden, die ebenfalls in Beziehung zum ZDF“ gestanden habe. Schmitz selbst sei lediglich abgeschöpft worden. Eichhorn, der frühere Major und Offizier im besonderen Einsatz der Stasi, schweigt beharrlich.

Läpples Recherchen dauerten mehr als zwei Jahre, er sprach mit hunderten von Zeitzeugen, die Zahl der von ihm ausgewerteten Dokumentenseiten geht in die Hunderttausende. Von der Kundschafterin Christina Kanyarukiga in Guido Knopps Redaktion für Zeitgeschichte über den Kameramann mit Decknamen „Goslar“, der den ZDF-Reporter Peter Scholl-Latour beim Fall der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon begleitete, bis zum Fernsehratsmitglied Gunter Scheer, der Ostberlin schon ein halbes Jahr vor Sendebeginn eine komplette Personalliste übermittelte – im Kampf gegen das ZDF schickte die Stasi mehr als 200 Inoffizielle Mitarbeiter an die unsichtbare Front.

Mit seinen Recherchen indes hatte sich Läpple unter seinen ZDF-Kollegen nicht nur Freunde gemacht. Wer im Schmutz wühlt, macht sich dreckig, die Ergebnisse sind unbequem. Wie schon bei der Untersuchung des Stasi-Einflusses auf die ARD vor zwei Jahren, wünscht sich heute mancher, die Recherche wäre nie in Auftrag gegeben worden.

Und so wird man am Ende des Filmes denn auch den Eindruck nicht los, der Autor wäre von der ZDF-Führung in das unübersichtliche Feld der Aufarbeitung geschickt – und dann alleingelassen worden. Dass das sonst zeithistorischen Stoffen höchst zugeneigte Zweite sich mit der Dokumentation nicht wirklich schmücken will, zeigt allein schon der Sendetermin gegen Mitternacht. WOLFGANG GAST

Zweiter Teil: 17. 11. um 0.10 Uhr