Hertha schießt aus der Reihe

Seit 34 Jahren hatten die Berliner nicht mehr in Dortmund gewonnen. Am Samstag klappte es endlich: Eine neu formierte Mannschaft holte ein 2:1. Es war zugleich der erste Hertha-Auswärtssieg dieser Bundesligasaison

Dieter Hoeneß hat in der bisherigen Saison gut aufgepasst. „Wir wussten, dass die Dortmunder hier im Westfalenstadion Probleme haben, wenn die Räume eng gemacht werden“, sagte der Manager von Hertha BSC. Die Folgerung daraus lautete: „Du darfst hier im Westfalenstadion nicht den Fehler machen mitzuspielen.“ Bis auf den Namen des Stadions war alles richtig, was Hoeneß sagte. Vielleicht wollte er schlicht keine Werbung machen für den Versicherungskonzern, der dem Prachtbau seit knapp einem Jahr den Namen gibt. Wahrscheinlich wollte er aber einfach mal mit dem Gefühl nach Hause fahren, im Westfalenstadion gewonnen zu haben. Das hatte die Hertha in 31 Jahren, in denen die zur Weltmeisterschaft 1974 eingeweihte Arena so hieß, noch nie geschafft. Am Samstag endete die schlimme Serie mit einem verdienten 2:1-Erfolg an einem unterhaltsamen Nachmittag. Mit dem gleichen Ergebnis hatten die Berliner im März 1972 in Dortmund gewonnen. Damals wurde vor 10.000 Zuschauern im Stadion Rote Erde gespielt.

Chinedu Ede kennt das altehrwürdige Stadion. Natürlich nicht vom bis dahin einzigen Bundesligasieg der Berliner – er wurde erst im Februar 1987 geboren. Ede hatte vor gut einer Woche mit Herthas Regionalligamannschaft in der Roten Erde gespielt und vor 519 Zuschauern den Treffer beim 1:1 erzielt. Am Samstag sahen 70.200 Menschen zu. „Die Kulisse war am Anfang schon heftig“, sagte Ede.

Am Morgen hatte er erfahren, dass er zum ersten Mal den Anpfiff eines Bundesligaspiels auf dem Platz erleben würde: „Ich war überrascht. Aber lief ja ganz gut.“ Das sah auch der Trainer so. „Chinedu hat die Aufgabe, die ich ihm gegeben habe, genau erfüllt. Ich bin absolut zufrieden“, sagte Falko Götz.

Pal Dardai hatte kurzfristig für die Partie passen müssen. Dadurch wurde die Liste der Ausfälle mit Yildiray Bastürk, Christian Gimenez (beide verletzt) und Kevin Boateng (gesperrt) noch länger. Götz stellte daher sein System um, gab der Sicherheit den Vorrang, bot zwei defensive Mittelfeldspieler und davor eine offensive Dreierreihe auf. „Ich wollte zwei schnelle Außenstürmer haben“, begründete Götz die Nominierung Edes.

Der Sohn eines Nigerianers und einer deutschen Mutter wurde auf die linke Seite gestellt, Ashkan Dejagah auf die rechte. Die deutschen U20-Nationalspieler boten eine prächtige Leistung. Jeweils eine Torvorlage ging auf ihr Konto. Beim 1:0 in der 10. Minute gab Dejagah die Flanke zum Kopfballtreffer von Andreas Schmidt. Ede legte nach einem olympiaverdächtigen Sprint für Gilberto auf, der in der 15. Minute das 2:0 schoss.

Die junge Bande ergänzte sich gut mit den älteren Spielern. Der älteste Berliner auf dem Platz erhielt die größten Komplimente vom Trainer. „Es ist erstaunlich, wie man in dem Alter noch so viel laufen kann“, sagte Götz über Schmidt, der als Standby-Profi geführt wird. Der Begriff passt gut: Wenn jemand bei Schmidt auf den Knopf drückt, springt er an und funktioniert reibungslos. In den letzten beiden Jahren hatte der Trainer nur einmal auf den Knopf gedrückt. Aufgrund der Personalmisere musste der 33 Jahre alte Schmidt in dieser Saison jedoch schon häufiger aushelfen. „Er ist ein Phänomen“, lobte Hoeneß den treuen Diener, der seit 1991 im Verein ist.

Ob er sich denn an sein letztes Tor in der Bundesliga erinnern könne, wurde Schmidt in Dortmund gefragt? „Ich glaube, das war in Bremen. Es müsste jetzt fünf Jahre her sein“, sagte er. Teil eins war falsch, denn seinen bis dahin letzten Bundesligatreffer hatte Schmidt gegen den FC St. Pauli erzielt. Teil zwei ging in Ordnung, denn es war am 18. Dezember 2001. Vielleicht werden es noch mehr Treffer. „Schmidti hat mir gesagt, dass er gerne noch einige Spiele in der Bundesliga machen möchte“, so Götz.

Der Trainer will sich das durch den Kopf gehen lassen. Dagegen spreche, dass die 2. Mannschaft in der Regionalliga gegen den Abstieg spielt und ihren Kapitän gut gebrauchen könne. Beim 1:1 in der Roten Erde war Schmidt dabei, und er wird sich wohl genauso wenig wie Chinedu Ede vorgestellt haben, was eine Woche später wenige Meter nebenan passieren wird. Marcus Bark