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Archiv-Artikel

Und lasst Euch nicht verbiegen

HIPPEN EMPFIEHLT „Von Menschen und Göttern“ von Xavier Beauvois erzählt die wahre Geschichte von französischen Mönchen, die in Algerien verschleppt wurden

Durch die behutsame Inszenierung werden die Bescheidenheit und Wärme dieser Gemeinschaft spürbar

VON WILFRIED HIPPEN

„Die Menschen töten nie so begeistert und hemmungslos wie im Namen ihres Glaubens!“ So wird Pascal in diesem Film von einem Trappistenmönch zitiert, für den dies nicht nur ein theoretischer philosophischer Gedanke ist. In den 90er Jahren gab es in Algerien eine starke Bewegung von moslemischen Terroristen, die gegen das Militärregime kämpften. Unter den über 100.000 Opfern dieses Bürgerkrieges waren viele Christen. Besonders erschütternd war das Schicksal einer Gruppe von französischen Mönchen, die in einem Kloster in den Bergen freundlich und asketisch nach den Grundsätzen ihres Glaubens lebten, bis sie von islamistischen Rebellen entführt und umgebracht wurden.

Diese Geschichte ließe sich gut im Stil eines politischen Thrillers inszenieren, dessen aktuelle Bezüge auf der Hand liegen. Aber der französische Regisseur Xavier Beauvois macht hier etwas völlig anderes. Er erzählt konsequent aus der Perspektive der Mönche und zeigt dabei, wie sie gegen die drohenden Anfechtungen bestehen.

Der Film beginnt mit alltäglichen Szenen im Kloster und dem kleinen Dorf im Atlasgebirge, in dem die Trappisten ein vertrautes Verhältnis zu den Bewohnern haben. Sie versorgen sie ärztlich, verteilen Schuhe und Kleidung an die Armen und sind willkommene Gäste bei den Familienfesten des Dorfes. Sie missionieren nicht, und in einer dieser ersten Szenen unterhält sich auf einer sonnenbeschienenen Bank einer der Mönche mit einem jungen islamischen Mädchen darüber, wie sich die erste große Liebe anfühlt.

Das Leben der Mönche ist mit solchen Arbeiten für die Menschen des Dorfes, Gebeten, Gesängen sowie Arbeiten am Haus und am Garten gefüllt – und Beauvois gelingt es durch seine behutsame Inszenierung, die Bescheidenheit und Wärme dieser klösterlichen Gemeinschaft spürbar zu machen.

Nach den ersten alarmierenden Nachrichten über terroristische Aktionen in der Nähe geht jeder Mönch anders mit seiner Angst und der Gefahr um, und im Laufe des Films wird sich wohl jeder die Frage stellen, wie er oder sie in dieser Situation entscheiden würde. So wird hier eine universelle Geschichte erzählt, und Beauvois unterstreicht dies, indem er weder detailliert von den politischen Verhältnissen im Algerien dieser Zeit erzählt, noch Details vom Ende der Entführung ausbreitet. Statt dessen inszeniert er weitgehend realistisch in einem zugleich epischen und intimen Stil.

Bei einem letzten Abendmahl der Mönche wird subtil das Gemälde von Da Vinci zitiert, und in einer der letzten Sequenzen des Films werden die Gesichter der Mönche in ähnlich intensiven Nahaufnahmen gezeichnet wie dies Carl Theodor Dreyer in „Die Passion der heiligen Johanna“ tat.

Doch trotz dieser Zitate aus der katholischen Ikonografie stehen die Mönche von Tibhirine für Beauvois nicht für nur christliche Werte sondern für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“.