LESERINNENBRIEFE
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Organisierte Religion bringt Leid

■ betr.: „Die reale Gefahr der islamistischen Radikalisierung“,taz vom 14. 12. 10

Festzustellen, dass ein Bombenattentat in Deutschland grundsätzlich möglich sei, ist nicht nur eine nüchterne Einschätzung der Lage, sondern eine geradezu triviale Feststellung. Es mag für viele Menschen eine schwer zu akzeptierende Tatsache sein, aber ein genügend von einer entsprechenden Ideologie indoktriniertes Individuum kann wohl fast überall auf der Welt mit recht einfachen Mitteln – man denke nur an ein wenig Benzin – furchtbares Leid verursachen. Das ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal einer „islamistischen“ Radikalisierung, sondern ist in jedem Glaubenssystem mit vom humanistischen Konsens abweichenden Moralvorstellungen möglich. Wenn christlich radikalisierte Fundamentalisten in den USA Abtreibungskliniken niederbrennen und Ärzte erschießen, dann folgt das derselben perversen Logik, nach der ein Familienvater es rechtfertigen kann, seine Mitmenschen in die Luft zu jagen und dabei seinen eigenen Tod in Kauf zu nehmen. Das zugrunde liegende Übel sollte in beiden Fällen leicht auszumachen sein.

Es ist unvorstellbar, wie viel Leid die organisierten Religionen schon über die Menschheit gebracht haben und, während sie dieses täglich noch mehren, gleichzeitig den Respekt und die Anerkennung der Menschen fordern, denen das kritische Denken noch nicht mit Bibel oder Koran ausgetrieben wurde. Die Abkehr von den auf jahrtausendealten Stammesmythen basierenden Ideologien, mit denen verwirrte alte Männer versuchen, ihre Machtpositionen und ihren Einfluss in der Gesellschaft zu festigen, würde wohl nicht alle Probleme der Menschheit lösen, aber wahrscheinlich mehr zu ihrer Minderung beitragen, als unsere Ressourcen für ungerechtfertigte Kriege und totale Überwachung der Bevölkerung zu verbrennen. Der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Steven Weinberg sagte einmal treffend: „Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne Religion können sich gute Menschen gut verhalten und böse Menschen Böses tun; aber damit gute Menschen Böses tun – dafür braucht es Religion.“ MATTHIAS EDER, München

Inadäquate Flatulenz

■ betr.: „Die Atmosphäre ist total vergiftet“,Deutschland-taz vom 7. 12. 10

die ausgabe „ein schöner land“ hat mir gut gefallen. besonders der „lange laute furz“ hat es gut getroffen. die aussagen von sarazzin bestätigen nur, dass diese „flatulenz“ inadäquat ist. leider trägt die debatte, die am eigentlichen problem vorbeizugehen scheint, dazu bei, dass herr thilo sarrazin aus sch… gold macht. bei dem Streitgespräch mit frau steinbach ist mir gleich ganz anders geworden. diese frau, die auch noch menschenrechtsbeauftrage sei, hat leider gar nichts begriffen. Wenn ich könnte, würde ich ihr ein buch empfehlen, das ich gerade lese: „deutschland schwarz weiß“ von noah sow – ob das noch etwas bringt, ist die andere frage. MARISA NGAKEGNY, Berlin

Wikileaks wird zu hoch gehängt

■ betr.: „Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks“, taz vom 16. 12. 10

Dass hier die Meinungsfreiheit auf dem Spiel stünde, ist doch gewaltig übertrieben. Immerhin hat Wikileaks bislang nur demokratische Regierungen in Schwierigkeiten gebracht. Wikileaks wird erst dann eine ernstzunehmende Geschichte, wenn sie dort Dokumente veröffentlichen, die beispielsweise belegen, wie brutal die chinesische Regierung gegen alles vorgeht, was sich ihr in den Weg stellt. Oder die belegen, wie schlimm es tatsächlich in Russland um den Rechtsstaat bestellt ist. Oder die all den Iran-Verstehern vor Augen führen, wie furchtbar das Mullah-Regime ist und wie weit es beim Bau der Atombombe vorangekommen ist. Doch davon nichts, stattdessen so einen Quatsch wie die Tatsache, dass US-Diplomaten Horst Seehofer für einen Dummschwätzer halten. Wikileaks wird viel zu hoch gehängt. CHRISTOPH PAUSE, Freiburg