MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND : Ich habe ihr alles abgekauft, scheiß drauf!
Was ein Losglück: Mit meiner Liebsten durfte ich nach Göteborg. Wunderschön. Nur der Weihnachtsmarkt mit den pseudolappländischen Importkunstpelzmützen aus China nervte anfangs. Bis wir Ylva trafen
Gerade erst bin ich von einer Reise nach Schweden zurückgekehrt. Die hatte ich tatsächlich gewonnen. Erst ein einziges Mal hatte ich bisher bei einem Preisausschreiben zu den Gewinnern gehört. Vor zwanzig Jahren hatte ich in einem Supermarkt eine Kiste alkoholfreies Bier der Marke „Gilde Free“ abgeräumt, um später zu Hause festzustellen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum seit Monaten abgelaufen war. Ausgetrunken hab ich das Bier trotzdem. Es darf ja nichts verkommen.
In diesem Sommer nun verloste unsere Regionalzeitung eine kurze Schiffsreise für zwei Personen nach Göteborg. Man sollte zu einer bestimmten Zeit bei der Zeitung anrufen und eine Frage beantworten. Also schrieb ich mir die Telefonnummer auf und nahm sie mit auf den Trecker. Zur angegeben Zeit unterbrach ich kurz das Strohpressen, rief an und gewann. Ich habe mich so gefreut, dass ich beim Weiterarbeiten so unkonzentriert war, dass ich nicht bemerkte, wie sich die Unterlenker meines Fendt langsam anhoben, um schließlich in einer Kurve die Gelenkwelle der Strohpresse zu verbiegen. Ein Schaden, so teuer, dass ich zwei Wochen in Schweden hätte verbringen können statt der lausigen zwei Nächte, die es nun geworden sind. Trotzdem war es wunderschön.
Meine Liebste und ich hatten zwei Nächte auf dem Schiff und einen Tag in Göteborg nur für uns. Keine Kühe, keine Kinder, keine kranken Eltern. Selbst das Handy hielt die Fresse. Eine tolle Stadt, und wir beide latschten hindurch. Nur wir. Wie vor der Familienphase. Mit einem Unterschied: Wir hatten Geld. Schwedisches Geld. Kronor.
Wie wunderbar es doch ist, dass es noch Länder gibt, die nicht diesen bescheuerten Euro haben. Für Touristen ist es doch viel besser, in einer anderen Währung zu bezahlen. Hat das Gastland auch den Euro, dann weiß ich jederzeit die brutale Wahrheit darüber, was ich gerade alles raushaue. Muss ich allerdings umrechnen, tu ich das zwei- oder dreimal, und mir wird das zu anstrengend. Ich überlege erst nur Pi mal Daumen, irgendwann gar nicht mehr. Ich murmle mir beschwichtigende Mantren in den Bart: „Auch mal fünfe gerade sein lassen“ oder „Man gönnt sich ja sonst nix“ oder „Scheiß drauf“ und fühl mich wohl. Kurz bevor ich das Land verlasse, kaufe ich mit dem letzten Kleingeld noch irgendeinen Mist, um kein Klimpergeld mehr mit zurückschleppen zu müssen. Ist das nicht wunderbar?
Hand in Hand schlenderten Birte und ich durch die Stadt wie zwei Jungverliebte. Natürlich latschten wir auch in eine Touristenfalle. Der Weihnachtsmarkt im Liseberg-Vergnügungspark soll der größte in Schweden sein und kostete achtzig Kronen Eintritt. Noch in der Kassenschlange sagten wir uns, dass all die Schweden, die mit uns dort anstanden, sicher wüssten, was sie tun. Dann hatten wir bezahlt, und es war zu spät. Wir hatten auf irgendwie authentisches schwedisches Kunsthandwerk gehofft, aber es gab hauptsächlich Stände mit auf lappländisch getrimmten Importkunstpelzmützen aus China.
Da war ich sehr froh, dass ich noch eine original schwedische Bauerntochter traf, die aus den Fellen von Gotlandschafen wunderschöne Kissen herstellte. Sie trug den zauberhaften Namen Ylva. Ich hätte ihr alles abgekauft. Und das tat ich auch. Bis das Geld alle war. Scheiß drauf.
■ Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat