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Archiv-Artikel

Klimasünder unter dem Kreuz Christi

Deutschlands Kirchen fordern in Dokumenten mehr Klimaschutz. Sie selbst bleiben hinter eigenen Vorgaben zurück

BERLIN taz ■ Das katholische „Kompendium der Soziallehre “ spricht eine deutliche Sprache: „Das Klima ist ein Gut, das geschützt werden muss.“ Auch die Deutsche Bischofskonferenz sieht im Klimawandel „einen zentralen Brennpunkt der Schöpfungsverantwortung“. Die Kirche müsse „solidarisch Partei ergreifen für Gottes Schöpfung und für die Opfer des Klimawandels, insbesondere für Alte, Kranke, Kinder, Ungeborene und die kommenden Generationen“.

In der Realität ist die katholische Kirche nicht ganz so engagiert. Der Vatikan hat das Kiotoprotokoll – es verpflichtet reiche Staaten zur Treibhausgasreduktion – weder unterzeichnet noch ratifiziert. In Deutschland haben zwar katholische wie evangelische Kirche den Klimawandel als ein globales Problem begriffen. Ihr alltägliche Handeln schert sich aber kaum darum. Ein aktuelles Dokument der katholischen Bischofskonferenz: „Hinsichtlich der Reflexion und der Praxis des Klimaschutzes besteht erheblicher Nachholbedarf.“

Dabei sind katholische und evangelische Kirche mit ihren Gemeinden, Tagungshäusern, Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeheimen nicht nur zweitgrößter Arbeitgeber Deutschlands nach dem Staat. „Sie sind auch wichtige klimapolitische Akteure, die zu Einspargiganten werden könnten“, sagt Jobst Kraus. Er ist Studienleiter für Umweltpolitik an der evangelischen Akademie in Bad Boll und Sprecher des Ständigen Ausschusses Umwelt beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Kraus hat Daten zur „Klimawirksamkeit“ der Kirchen zusammengetragen. Nimmt man beide Kirchen zusammen, ergibt sich daraus nur für Wärme und Strom, also ohne den Verkehr, eine „Klimaverantwortung“ von etwa 18 Millionen Tonnen Kohlendioxid – 3 bis 4 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen Deutschlands. Das ist etwa so viel, wie Slowenien jährlich in die Atmosphäre bläst.

Auf lokaler Ebene engagieren sich viele Christen für Klimaschutz. So haben sich nach kirchlichen Angaben etwa 1.000 evangelische und 250 katholische Gemeinden eine Solarstromanlage aufs Dach gesetzt. Mehrere Landeskirchen und Diözesen durchforsten gerade in Zeiten knapper Kassen ihre Haushalte nach Energieausgaben. Seit 2005 gleichen die Planer des Evangelischen Kirchentages den Ausstoß von Treibhausgasen durch die Besucher ihrer Großveranstaltung zu 90 Prozent durch den Kauf von grünem Strom aus. Doch das alles sind nur Tropfen auf den heißen Stein, monieren Umweltschützer: Zwischen warmen Worten „von oben“ und Einzelaktionen „von unten“ vermissen sie Engagement. Ganze Bistümer oder Landeskirchen könnten zu „grünen“ Stromanbietern wechseln, Flugreisen und Autofahrten reduziert, flächendeckend die Versorgung von kirchlichen Einrichtungen auf Biolebensmittel umgestellt werden, die kirchlichen Immobilien energetisch saniert werden.

„Das Kehren vor der eigenen Tür wird zunehmend zu einer Frage der Glaubwürdigkeit“, heißt es im „Wittenberger Memorandum 2006“, in dem sich die evangelischen Landeskirchen mit der Kluft zwischen politischer Verkündigung und alltäglichem Handeln beschäftigen: „Es besteht hoher Handlungsbedarf“. Den sehen auch die Katholiken. In ihrem Text „Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit“, der gerade erschien, analysiert eine Expertengruppe mit deutlichen Worten, dass „der fossile Pfad der Energiegewinnung zugunsten erneuerbarer Energien verlassen werden muss“. Gefordert werden Energiesparen, Klimasteuern und ein Ende der klimaschädlichen Subventionen ebenso wie bindende Selbstverpflichtung der Unternehmen und eine Veränderung unseres Lebensstils. Und das Verhalten der Kirche? „Angesichts der Dringlichkeit der Probleme ist die katholische Kirche bisher hinter dem Möglichen und Notwendigen zurückgeblieben“, schreiben die Autoren. Zu ihnen gehörte maßgeblich Markus Vogt, Professor für Sozialethik an der Fachhochschule der Salesianer und Leiter der „Clearingstelle Kirche/Umwelt“.

Was von den Kirchen zu tun wäre, wird in den kirchlichen Papieren klar gesagt: So fordern die katholischen Bischöfe als „strategische Aufgabe“, auch in „Politik und Wirtschaft auf Veränderungen zu drängen“ oder „entschieden für Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen einzutreten“. Die kirchlichen Klimaschützer legen diese Textstelle so aus: Die Subventionen für die Kohleindustrie müssten beendet werden, und die Ökosteuer müsse von der Kanzel herab verteidigt werden. Und den „klimabewussten Einkauf“, wie angemahnt, fordert etwa Jobst Kraus bereits seit Jahren: Seine Idee: Die 50.000 Autos, die allein die evangelische Kirche in Deutschland braucht, als Nachfrage nach einem echten Sparauto mit einem Hersteller gemeinsam zu planen – und die katholische Kirche und andere Großabnehmer dabei einzubinden.

Die Klimaschützer von Germanwatch jedenfalls sind begeistert, dass nun auch die „katholische Kirche als wichtiger gesellschaftlicher Akteur eine klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands und der Europäischen Union einfordert“. Sven Harmeling, Referent für Klima und Entwicklung bei der Organisation, will die Kirche deshalb nicht gleich mit ihrer eigenen Bilanz als Klimasünder konfrontieren. „Wir haben die Hoffnung, dass mit einem solchen Schreiben auch innerhalb der Kirche Impulse ausgelöst werden.“ Und auf jeden Fall sei der Text ein „Referenzdokument“ – auf das sich Klimaschützer in Zukunft berufen können, wenn er konstatiert: „Das verantwortliche Handeln für Klimaschutz ist ein Zeugnis, wie Christen ihren Auftrag zur Bewahrung und Gestaltung der Schöpfung ernst nehmen.“ Die Autoren hätten das auch kürzer sagen können – mit einem Zitat aus der Bibel: „An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen“.

BERNHARD PÖTTER