: Tief im Westen
Die türkische Privatuni Izmir University of Economics möchte ausgerechnet im Harzstädtchen Goslar einen Ableger für 2.500 Studierende aus aller Welt gründen. Nun sind sich Stadt und Uni einig
VON KLAUS IRLER
Gezahlt wird in Dollar, und unterrichtet wird fast nur auf Englisch. Im Gegenzug haben die Studenten an der türkischen Privat-Universität Izmir University of Economics (IUE) einen wunderbaren Meerblick und nach straffer Studienzeit einen nach internationalen Kriterien ausgerichteten Bachelor-Abschluss in der Tasche. Denn der Blick der Privatuni mit ihren derzeit 5.100 Studierenden geht nach Westen: Man studiert dort Informatik, Kommunikationswissenschaften, Modedesign und Betriebswirtschaft – mit Schwerpunkt Europäische Union.
Was nun auch zur EU gehört, ist das 43.000-Einwohner-Städtchen Goslar im Harz. Dort weiß man seit Ende 2005 alles über die die Ägäis-Metropole Izmir und deren IUE: Insgesamt drei Mal besuchten Delegationen aus Izmir die Goslarer Spitzenpolitiker, die ihrerseits zweimal nach Izmir reisten. Die örtliche Presse („Goslar-Delegation sicher in Izmir gelandet“) verfolgte jeden Schritt in diesem Prozess, der lautete: Gründung einer Dependance der IUE in Goslar. Und nun ist man so weit: Stadt und Uni sind sich einig, dass sie beide wirklich wollen.
In einer ehemaligen Bundeswehrkaserne soll die IUE eine Universität aufbauen, zunächst mit den Studiengängen Wirtschaftswissenschaften und Jura. Die Studenten sollen aus aller Welt kommen, angedacht sind Studiengebühren in Höhe von 3.000 Euro pro Semester. Los gehen soll es Ende 2009, danach soll die Uni schrittweise ausgebaut werden, bis im Jahr 2019 etwa 2.500 Studenten das Goslarer Straßenbild aufpeppen sollen.
Für Goslar würde damit auch der Traum wahr, doch noch zu einer Hochschule zu kommen, nachdem der Stadt im Jahr 2004 der Zuschlag für eine Fachhochschule vom Land Niedersachsen verwehrt wurde. Allerdings gibt es noch zwei Hürden auf dem Weg zum Uni-Standort, und die sind hoch: Die Stadt müsste der IUE für die Ansiedlung 25 Millionen Euro leihen. Das Geld soll mit Verzinsung zurückgezahlt werden. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob der Rat der Stadt da zustimmt – denn die öffentlichen Kassen sind auch in Goslar leer.
Außerdem müsste die neue Uni staatlich anerkannt werden, sie müsste ein so genanntes Akkreditierungsverfahren vor dem Wissenschaftsrat bestehen – was nicht ganz einfach ist. Goslars Oberbürgermeister Henning Binnewies (SPD) baut für das Verfahren „auf eine konstruktive Begleitung durch das niedersächsische Wissenschaftsministerium als zuständiger Behörde“.
Warum aber entschieden sich die Türken ausgerechnet für Goslar? Das lag wohl letztlich an der schönen mittelalterlichen Altstadt: Der IUE-Wirtschaftsprofessor Turgut Var besuchte seinen Neffen Hüseyin Var, der in Goslar als Gastronom arbeitet. Turgut Var wiederum hatte einen guten Draht zu den Entscheidungsträgern in Izmir. „Weltkulturerbe“ und „das Nordische Rom“ – an der Ägäis muss das gut klingen.