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Archiv-Artikel

Einlochen im Innersten

Platz ist in der kleinsten Zelle: die neue Winter-Trendsportart Nanogolf

Gefährlich wird es, wenn sich plötzlich ungebetene Monster im Nanogolfpark einfinden

Rudi Schober ist ein sparsamer und bescheidener Mensch. Das merkt man spätestens, wenn man ihm in seiner Fünfzehnquadratmeter-Singlewohnung gegenüber sitzt. Kaum zu glauben, dass sowohl die Geschäftsstelle eines aufstrebenden Weltsportverbands als auch die komplette Spielstätte hier hineinpassen. Die Rede ist vom Nanogolf, einer konsequenten Weiterentwicklung des Minigolfs. Und Rudi Schober ist der frisch gewählte Exekutivpräsident des jungen Weltverbands „World Foundation of Nanogolf“ (WFNG) mit Sitz in Göttingen.

„Es begann vor ein paar Monaten, als ich rausgefahren bin, um auf unserer Hausbahn nach dem Rechten zu schauen und ein paar Runden zu schlagen. Aber dann kam der Schock: Die Minigolfbahn war vom Nachbarbauern untergepflügt.“ Rudi Schober durchfährt immer noch ein Schauder bei der Erinnerung. Sein Gefühlsausbruch lässt erstmals das Insektenhafte vergessen, das ihm sein wie eine Lesebrille übergestülptes Elektronenmikroskop verleiht. „Minigolfen draußen war nicht mehr. Unsere Bahn war einfach weg, futsch, für immer perdu …“

Der Bahnpächter hatte das Gelände heimlich dem Nachbarbauern verkauft und sich mit der Million für das hochwertige Grundstück nach Südamerika abgesetzt. Eine düstere Zeit drohte den Freunden des Minigolfsports, und einige gaben sich bald dem Suff hin. Auch Rudi Schober wäre sicher auf die schiefe Bahn geraten, wenn ihm nicht eines Abends der rettende Gedanke beim Lesen eines zerfledderten alten iPod-Prospekts gekommen wäre. „Beim Pünktchen auf dem i vorm pod, da hat’s Klick gemacht“, erzählt Schober. „Die Produktpalette vom iPod mini bis zum iPod nano brachte mich auf die Idee.“

Mit Siebenmeilenstiefeln beschritten die Göttinger Minigolfer nun den Weg in die Minimalisierung: Zunächst probierten sie es mit Zahnstochern und Grießkörnern, dann mit Langkornreis und gemahlenem Pfefferbruch und sogar mit Moskitorüsseln und roten Blutkörperchen. Schließlich war der Prototyp im Nanobereich spielbereit: Im Inneren eines Pantoffeltierchens musste ein Schnupfenvirus mithilfe einer gehärteten DNS-Kette im Zellkern versenkt werden. Die benötigten Gerätschaften waren praktisch kostenlos, ein chronischer Heuschnupfen stellte Nanogolfer Schober und seinen Mitstreitern immer genügend Spielgerät bereit. Kein Wunder, dass dem sympathischen Nanogolfer beim Reizwort „Pollen“ sein Auge sofort feucht wird.

Nur die optische Kontrolle ging etwas ins Geld, da musste Verbandskollege Sören Soppok seine akademischen Verbindungen spielen lassen. Schließlich wurde ein ausgemustertes Elektronenmikroskop vom nahe gelegenen Fraunhofer-Institut in eine festsitzende Taucherbrille montiert – und schon konnte es losgehen.

„Es war natürlich anfangs nur eine ganz simple Bahn ohne jeglichen Schikanen oder Hindernisse“, wiegelt Schober das Bahnbrechende der neuen Technik ab. „Ein Problem war, die Schläger für den Nanobereich zu verbessern.“ Aber dann kam – wie so oft bei großen Erfindungen – der Zufall zuhilfe: Beim Stöbern in diversen Gendateien stießen die Nanogolfer auf das Bakterium Staphylokokkus Brachialis, das schon im natürlichen Zustand die fast vollendete Form eines Golfschlägers hat. Die Schlagfläche mit ein paar Magnesiumatomen eingepudert, wie man es vom Turnunterricht her kennt, ermöglichte sogar den Ionenaustausch mit anderen Leichtmetallen auf der Nanogolfbahn. Gespielt wird nun mit einem Titaneisen der Dünne 7. Es sieht unterm Elektronenmikroskop zwar aus wie Billard, aber es ist Golf, Nanogolf eben – man muss nur die gespielte Elektronenkugel farblich markieren.

Gefährlich wird es allerdings, wenn sich plötzlich ungebetene Monster im Nanogolfpark einfinden. Ein sprunghafter Katzenfloh kann die Spielbilanz ganz schön durcheinander wirbeln. Zudem machen die regelmäßig auf dem Parcours quer liegenden Blindmilben ein Einlochen oft unmöglich.

Ob Nanogolf eines Tages olympische Disziplin sein wird, hängt nicht nur davon ab, ob der neue Trendsport den Weg aus der Schober’schen Einzimmerwohnung herausfinden wird. Auch die Fernsehrechte wollen geklärt sein. Daran arbeitet die World Foundation of Nanogolf, indem sie die mediale Öffentlichkeit offensiv einspannt. Der Stern berichtete kürzlich bereits über die rührigen Nanogolfer: „Die kleinen Einlocher“.

Auch in der Sportwelt sind Rudi Schober und die Seinen nicht allein. Selbst auf den britischen Inseln hat man die neue Sportart bereits für sich entdeckt und entwickelt eigene Varianten. So arbeitet Ian McDraw, ein zurückgezogen lebender Schotte, der beim Golf beide Arme im Grün verloren hat, an einem Wimpernsensor, der die Stöße digital umsetzt. „Wenn wir nun auch noch Stephen Hawking für unseren Sport gewinnen können, dürfte einem Siegeszug nichts mehr im Wege stehen“, meint Schober. Eine Idee geht ihren Weg – die der Generation Nanogolf. REINHARD UMBACH