Sarrazin auf allen Ebenen

HOBBY-GENETIKER Die Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ lädt Thilo Sarrazin ein – dagegen regt sich Widerstand

Ob sich Deutschland nun „abschafft“ oder nicht – Thilo Sarrazin jedenfalls schafft es mühelos, am morgigen Mittwoch das städtische Veranstaltungszentrum PFL in Oldenburg komplett zu belegen. Während er selbst auf Einladung der Nordwest-Zeitung (NWZ) im Vortragsraum aus seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ liest, befasst sich eine Etage höher eine Diskussion der Grünen mit dem Werk. Den Rest des Hauses, so das Kulturbüro der Stadt, nehme mehr oder weniger die Polizei in Anspruch.

Das bestätigte Polizeisprecher Markus Scharf zwar nicht, räumte aber ein, dass sich die Polizei „nach den Erfahrungen in anderen Städten entsprechend“ vorbereite. Zudem habe der Veranstalter einen privaten Sicherheitsdienst engagiert. Denn vor dem PFL soll ab 18.30 eine Kundgebung gegen den Auftritt des Ex-Bundesbänkers stattfinden. „Wir wollen, dass Oldenburg eine Stadt ist, in der Ausgrenzung und Hetze keinen Raum haben“, heißt es in einem von linken Gruppen, aber auch vom Asta, der GEW und dem Stadtjugendring unterzeichneten Aufruf.

Auf dem Podium drinnen diskutieren der Leiter der Interkulturellen Arbeitsstelle Ibis, Uwe Erbil, taz-Autor Felix Zimmermann, Kreisdiakoniepfarrer Thomas Hinnedrinnen, der Rassismusforscher Rudolf Leiprecht und der Historiker Thomas Etzemüller, der sich in seinem Buch „Ein ewigwährender Untergang“ mit der ständigen Wiederkehr demografischer Weltuntergangsstimmungen befasste.

Die kritische Auseinandersetzung mit Sarrazins Thesen scheint jedoch an der Tür zum Vortragssaal zu enden. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hatte die NWZ aufgefordert, einen Gegenredner zuzulassen, um „die Thesen von Herrn Sarrazin während der Lesung ausführlich zu kommentieren“, wie der Psychologieprofessor Heinrich Hildebrandt schrieb. Nur so sei „gewährleistet, dass einseitige Information nicht Fehlinformation“ in diesem „hochsensiblen Themenbereich“ bedeute. Chefredakteur Rolf Seelheim lehnte ab – unter Hinweis auf das feste Format der eigenen Veranstaltungsreihe „Begegnungen“, in welcher die Lesung des „Herrn Dr. Sarrazin“ stattfinde. Außerdem, so Seelheim, halte er die NWZ-Leser für „kompetent genug, um sich selbst ein Bild über den Autor, sein Werk und/oder seine Thesen zu machen“.

Dieselben Leser, die sich übrigens, sofern sie sich ihr eigenes Bild machen wollten, aufgrund der „ungewöhnlich großen Nachfrage“ mit einem Coupon für eine Eintrittskarte bewerben mussten, haben Sarrazin in einer Umfrage der NWZ allerdings gerade erst zum „Mann des Jahres 2010“ gewählt. Ob es da wohl zu Kritik an seinen Thesen kommt? MAIK NOLTE

Am Donnerstag ist Thilo Sarrazin zu Gast beim Dreikönigstreffen der FDP Steinburg um 19.30 im Theater Itzehoe. Eintritt: 25 Euro/Schüler und Studenten 12,50; Anmeldung erforderlich unter 3KT@fdp-itzehoe.de oder ☎ 04821/793 72