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Archiv-Artikel

Koalitionskrise – aber noch kein Bruch

NACH GASNETZENTSCHEID

Man weiß, dass man dem anderen nicht trauen kann – und also, woran man ist

„Jeder traut dem anderen nur so weit, wie er ein Klavier schmeißen kann“, hat mal ein Pressesprecher über den Zustand einer Landesregierung aus CDU und SPD gesagt. Das war zwar fern von Berlin, doch es passt zunehmend auf die hiesige Lage. Mehr oder minder gekriselt hat es in der rot-schwarzen Koalition schon seit Jahresbeginn, seit die SPD dem CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel ihre Unterstützung beim Thema Oranienplatz versagte.

Im Kleinen sieht das so aus, dass in den Fragestunden des Parlaments Abgeordnete der einen Koalitionspartei Senatsmitglieder der anderen bisweilen ins Verhör nehmen, wie es die Opposition kaum besser könnte.

Diese Woche aber spitzte sich die Lage im Großen zu: Erst überraschte der parteilose, aber von der SPD benannte Finanzsenator Ulrich Nußbaum die CDU mit der Vergabe der Gasnetzkonzession an die landeseigene Berlin Energie. Und tags darauf brachen die Christdemokraten mit der obersten Regel eines Bündnisses – Loyalität – und stimmten bei Abstimmungen zu Grundstücksverkäufen mit der Opposition.

Das geschah zwar in einem nichtöffentlich tagenden Unterausschuss des Parlaments und hielt sich von den Konsequenzen her in Grenzen, wurde aber natürlich doch bekannt. Und auch wenn sich nach einem kurzfristig anberaumten Krisengespräch offiziell alle mühten, das nicht als Grundsatzkrise darzustellen: Der Konflikt ist da.

Und er wird weiter brodeln, denn die Sache mit dem Gasnetz ist längst noch nicht durch. Damit Berlin Energie übernehmen und das Ganze in Landeshand kommen kann, muss der Senat Nußbaums Plänen zustimmen, die schon übernächste Woche im Senat beraten werden sollen. Das aber passt der nicht übermäßig an Verstaatlichung interessierten CDU gar nicht, inhaltlich nicht und auch vom Tempo her nicht. Ihr Generalsekretär Kai Wegner befeuerte den Konflikt weiter, als er Nußbaum nun kaum verhohlen vorwarf, er habe es an der nötigen Transparenz mangeln lassen.

Aber mit einer Koalition ist es manchmal wie mit einer Suppenschüssel: Ist erst mal ein Sprung drin, hält sie umso länger. Weder die CDU, die keine echte Koalitionsalternative hat, noch die in Umfragen abgesackte SPD können Interesse an einem Bruch und an Neuwahlen haben. Wenn man nun definitiv weiß, dass man dem anderen nicht trauen kann, weiß man immerhin, woran man ist.STEFAN ALBERTI