: Museum durch die Hintertür
Während in Bremen seit Jahren auf eine Erweiterung der Kunsthalle hingearbeitet wird, vervierfacht nun der Kunstverein Bremerhaven seine Fläche. Überhaupt sehen Bremens Ausstellungsmacher ihre „Vormachtstellung im Norden“ bedroht
VON HENNING BLEYL
Der Rohbau ist fast fertig, im April wird mit einer großen Baselitz-Ausstellung eröffnet: Bremerhaven bekommt ein Kunstmuseum. Ein bemerkenswerter Vorgang, speziell aus Bremer Sicht: Dort nämlich wird seit Jahren um den dringend benötigten Anbau an die Kunsthalle gerungen. Während sich in der Landeshauptstadt Staub auf längst entwickelte Modelle legt, hat die arme kleine Schwester dreistöckige Fakten geschaffen.
Der schwarz verklinkerte Kubus wächst auf dem Gelände des abgerissenen Stadtbads, auch das „Hannoveraner Havenhaus“ stand hier mal. Dessen Übergabe an das Land Bremen markierte 1827 die Gründung der „Colonie“ Bremerhaven. 59 Jahre später entstand ein eigener Kunstverein, der mittlerweile viel zu zeigen hat: 2.000 Werke, darunter Gerhard Richter, Palermo, Gregor Schneider. Ist der große Bremer Kunstverein, obwohl er mit Wulf Herzogenrath Deutschlands führenden Videokunst-Promoter zum Direktor hat, überwiegend museal geprägt, waren die Bremerhavener schon immer auf die jeweilige Avantgarde aus. In Fachkreisen genießt insbesondere das kleine, von Jürgen Wesseler kuratierte „Kabinett für aktuelle Kunst“ seit den 60er Jahren einen enormen Ruf.
Jetzt können die zusammengetragenen Schätze auf 700 Quadratmetern gezeigt werden. Eine glatte Vervierfachung der bescheidenen bisherigen Ausstellungsfläche. Im Zweiten Weltkrieg verbrannte neben dem größten Teil der älteren Sammlung auch das damals existierende Gebäude. Kunstgeschichtliche Dauerpräsentationen waren seither nicht mehr möglich, umso aktiver wurde der Verein mit acht bis zehn Wechselausstellungen pro Jahr.
Die Bremerhavener machen ihre Kunst sozusagen selbst. Andernorts ist die inhaltliche Arbeit längst an Angestellte deligiert, hier aber knien sich ehrenamtliche KuratorInnen in die Materie – wobei alles andere als Hobby-Schauen entstehen. Trotz eines bescheidenen Jahresetats von 200.000 Euro, der degressiv gestaffelte städtische Zuschuss von derzeit 79.000 schon inklusive, sind die Bremerhavener nah dran: Der aktive Kern des 600 Mitglieder umfassenden Kunstvereins tummelt sich regelmäßig auf den einschlägigen Messen wie Basel oder Köln. Organisiert wird das Ganze von einem Geschäftsführer in Teilzeit.
Das Bremerhavener Modell ist schlank. Nicht nur durch die geplante Abdeckung des zusätzlichen Personalbedarfs mit Ein-Euro-JoberInnen und die Verwendung von Lowtec im nur 1,8 Millionen teuren Neubau – auch die Einfädelung des Projekts geschah ohne öffentlichen Aufriss. Während in Bremen ein groß angelegter Architekten-Wettbewerb und ein angestrebtes Finanzvolumen von 27 Millionen Euro Erwartungen und Neiddebatten schürte, war in Bremerhaven stets nur von „Erweiterungsräumen“ des Kunstvereins die Rede – integriert in ein von der Sparkasse ohnehin geplantes Gewerbe- und Dienstleistungszentrum samt Großkino. Dass sich das Kunstmuseum als frei stehender Kubus aus diesem Bedürfnis-Paket nun wieder herauslöst, ist das Ergebnis unauffälliger Nachverhandlungen.
Natürlich verursacht auch ein durch die Hintertür kommender Solitär Betriebskosten. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die den Bau finanziert, hat sie auf 50.000 Euro runtergerechnet. Der Kunstverein will sie durch einen Förderkreis wuppen, einen Honoratiorenclub, der sich selbst als „Hausmeisterverein“ bezeichnet. Derweil sieht die Bremer Kunsthalle ihre „Vormachtstellung im Norden“ bedroht. Durch klug konzipierte und bestens besuchte Großausstellungen wie zuletzt „Monet und das Frauenporträt im Impressionismus“ hatte man sich von der Konkurrenz abgesetzt.
Jetzt engen unter anderem die steigenden Sicherheitsansprüche der Leihgeber die weitere Planung ein. „Hamburg holt uns ein und Hannover ist jetzt auch aufgewacht“, sagt Wulf Herzogenrath. Der derzeit realisierte dritte Anbau an die Emder Kunsthalle macht die Situation für ihn nicht leichter. Immerhin kann er den aus Bremerhaven stammenden Finanzsenator jetzt an der eigenen Nase packen.