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Archiv-Artikel

Bloß keinen Druck erzeugen

Der VfB Stuttgart gewinnt zum fünften Mal hintereinander ein Heimspiel und erfreut sich an der gelungenen Vorrunde. Zum vorweihnachtlichen Glück fehlt nur noch die Unterschrift von Torhüter Timo Hildebrand unter einen neuen Vertrag

aus stuttgart jürgen roos

Das Managerleben in der Fußball-Bundesliga bringt so manche Überraschung. Manchmal bringt es auch unerwartete Geburtstagsgeschenke. Horst Heldt, der Manager des VfB Stuttgart, durfte sich am vergangenen Samstag zu seinem 37. Geburtstag äußerst reich beschenkt fühlen. 48.000 Zuschauer gegen den VfL Bochum im Gottlieb-Daimler-Stadion, dazu ein 1:0-Sieg in fast letzter Minute und zumindest vorübergehend Platz zwei in der Tabelle – das hatte sich Heldt vorher vielleicht gewünscht. Als es wahr geworden war, stand er im Stadion und ließ seine Blicke durchs weite Rund schweifen. Heldt war zufrieden. Unübersehbar. Ist Fußball doch ein Wunschkonzert?

Es war kein großes Spiel, das ihm die Stuttgarter Mannschaft da verehrt hatte. Der VfB spielte wie immer in dieser Saison mit einer der jüngsten Mannschaften – aber von der Wildheit des Frühherbsts war nicht mehr allzu viel zu sehen. Geschenkt!, dachte sich Heldt und sagte: „Wenn’s nur zu so einem Spiel reicht und wir gewinnen trotzdem, dann müssen wir das der jungen Mannschaft zugestehen.“ Es war deutlich sichtbar, dass der VfB Stuttgart eines der Teams ist, für die die Winterpause jetzt gerade richtig kommt. Das Spiel in Cottbus noch, nächsten Samstag. Danach der Pokal in Bochum, dann dürfen sich die jungen Stuttgarter ausruhen. Und ein bisschen stolz sein auf eine Vorrunde, die kaum jemand so erwartet hätte.

„Eine Riesensache“ seien die 31 Punkte, die der VfB bislang gesammelt hat, befand Trainer Armin Veh, dessen wichtigste Aufgabe in den vergangenen Wochen darin bestand, die Erwartungen im Schwabenländle trotz des Höhenflugs zu dämpfen und gleichzeitig überzeugend zu dementieren, dass seinem Team die Frische abhanden gekommen sei. Nach dem fünften Sieg im fünften Heimspiel gab der VfB-Coach immerhin zu: „Bei einigen merkt man jetzt schon, dass die Kräfte nachlassen.“ Den Torjäger Mario Gomez dürfte er damit gemeint haben, der bei drei guten Chancen die nötige Konzentration vermissen ließ. Und den Spielmacher Antonio da Silva, den er gleich zur Pause auswechselte. „Er ist seit Wochen nicht in der Form, in der wir ihn brauchen, wenn wir das Spiel machen müssen“, sagte Veh. Dass Bochum zumindest im Mittelfeld zeitweise dominierte, stützt Vehs Analyse, dennoch schaffte es der VfL kaum, gefährlich vor das von Nationalkeeper Timo Hildebrand gehütete Stuttgarter Tor zu kommen.

Wollte man von einem gerechten Stuttgarter Sieg sprechen, dann deshalb, weil der VfB die klareren Chancen hatte. Dass das entscheidende Tor dann eher zufällig fiel – der Schweizer Stürmer Marco Streller traf acht Minuten nach seiner Einwechslung (87.), nachdem ihm aus dem Getümmel heraus der Ball vor die Füße gerollt war –, war symptomatisch für ein eher unterdurchschnittliches Bundesligaspiel. Wahrscheinlich war es so, dass das Team gewann, das den Sieg mehr wollte. Und dessen Trainer mutig einwechselte: In Streller hatte Veh kurz vor Schluss den dritten Stürmer gebracht.

Der VfB-Manager Horst Heldt war danach geneigt, diesen Pflichtsieg so schnell wie möglich abzuhaken. „Meine Arbeit ist noch nicht beendet für heute“, sagte er und nährte damit die Spekulationen, dass die Vertragsverhandlungen mit Torhüter Timo Hildebrand kurz vor dem Abschluss stehen. Zwei Stuttgarter Zeitungen hatten am Samstag bereits gemeldet, dass die Verlängerung nur noch Formsache sei. Ein Nachrichtendienst im Internet hatte dagegen spekuliert, dass Hildebrand sich mit dem Hamburger SV einig sei. Heldt sagte dazu nur, was er seit Wochen sagt: „Wir haben gute Gespräche, aber das heißt noch lange nicht, dass das in irgendeine Richtung tendiert.“ Verhandlungspartner des VfB ist Hildebrands Berater Dusan Bukovac, dessen Taktik die Stuttgarter ja schon vor knapp zwei Jahren an den Rand einer Blamage gebracht hatte. Die Mannschaft will Hildebrand weiter im Kasten sehen. „Es ist wichtig, dass wir das Team, so wie es ist, zusammenhalten“, sagte der VfB-Kapitän Fernando Meira, „aber ich habe ein gutes Gefühl.“

Hildebrands Vertragsverlängerung als Weihnachtsgeschenk für die Fans, das würde in die Vorrunden-Erfolgsgeschichte des VfB passen. Fünf von sechs Neuzugängen haben eingeschlagen, dazu hat Trainer Veh einigen Jungen aus dem Klub eine Chance gegeben und erfrischend nach vorne spielen lassen – das hat nach tristen Trapattoni-Monaten wieder Kredit gebracht bei den Fans, die nun sogar in Scharen zu einem Spiel gegen den Tabellen-15. gepilgert sind. Jetzt besteht sogar die Möglichkeit, dass die Stuttgarter auf einem Champions-League-Platz überwintern. Dennoch werden sich Manager Heldt und Trainer Veh wohl weiterhin weigern, ein Saisonziel zu formulieren, um das junge Team nicht unnötig unter Druck zu setzen. „Mit Geduld zum Erfolg“, so hatte Manager Heldt am Samstag sein Vorwort im Stadionheft betitelt. Für das Bochum-Spiel hatte dieses Motto immerhin schon mal Gültigkeit. Warum nicht auch für den Rest der Saison?