Özdemir ermittelt in Mannheim

Der Grünen-Europaabgeordnete will Vorwürfen nachgehen, ob die US-Armee in den Coleman Barracks drei arabische Gefangene festgehalten und gefoltert hat. Doch der Kronzeuge ist verschwunden. US-Armee bestreitet seine Existenz

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Die ungeheuerlichen Vorwürfe gegen die US-Armee in Mannheim haben jetzt auch die europäische Ebene erreicht. Heute will sich Cem Özdemir (Grüne), Vizevorsitzender des CIA-Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament, ein eigenes Bild machen.

In der Mannheimer US-Kaserne Coleman Barracks sollen in diesem Jahr drei arabische Gefangene festgehalten und gefoltert worden sein. Das jedenfalls behauptet der in Mannheim lebende Friedensaktivist Peter Wright, ein eingebürgerter Schotte. Ihm habe sich ein US-Soldat namens John Pierce anvertraut, der als Wachsoldat gesehen haben will, wie die Araber wochenlang auf Bettgestelle ohne Matratzen gefesselt und mit Elektroschocks misshandelt wurden (die taz berichtete). Doch John Pierce ist verschwunden. Nur Wright hatte Kontakt zu ihm.

Immerhin nimmt die Bundesanwaltschaft die Vorwürfe so ernst, dass sie ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Und bei Fällen, die diplomatische Verwicklungen verursachen können, ist die Behörde sonst eher übervorsichtig. Zum Stand der Ermittlungen wollte ein Sprecher nur so viel sagen: „Noch haben wir nur einen Zeugen vom Hörensagen. Wir versuchen aber die Existenz von John Pierce zu verifizieren.“

Die US-Army erklärte auf Nachfrage der taz: „Der 18. Military Police Brigade gehörte 2006 kein John Pierce an.“ Außerdem seien im Mannheimer Militärgefängis (US-Army Confinement Facility Europe) seit dem Kosovokrieg im Jahr 1999 nur noch amerikanische Soldaten inhaftiert gewesen, versicherte Captain Jeffery Gradeck.

Wright geht davon aus, dass der Soldat John Pierce inzwischen in den USA festgehalten wird und dass die drei Araber nach Guantánamo gebracht wurden, als US-Präsident Bush die Leerung der CIA-Geheimgefängnisse Anfang Oktober verfügte. Beweise hat Wright aber nicht.

Cem Özdemir wird in Mannheim nicht nur mit Peter Wright sprechen, sondern auch mit Anwohnern der Kaserne. Einer von ihnen hat zum Beispiel im Jahr 2003 auf dem Gelände „drei oder vier Dunkelhäutige in orangefarbenen Overalls“ gesehen, wie er dem ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtete, „menschenunwürdig zusammengeschnürt, mit Ketten an Füßen, an Händen“. Solchen Berichten gehe die Bundesanwaltschaft nicht nach, klagt Peter Wright und freut sich über das Interesse Özdemirs.

Wright, der Mitglied der Mannheimer Grünen ist, versucht derweil Kontakt zu aussagebereiten US-Soldaten herzustellen. Immer wieder stellt er sich abends im Schottenrock an den Zaun der Kaserne und beschallt das Gelände mit seinem Megafon. Bislang ohne Erfolg.