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Archiv-Artikel

Heiß und fettig

FLADEN Auf den ersten Blick scheinen Pupusas nichts anderes als billiges Fastfood zu sein. In El Salvador sind sie Teil der nationalen Identität – jeder isst sie

Der Fladen ist rund

Pupusa: Das Wort kommt aus dem Nahuat, der Sprache der Pipiles, die in vorkolumbianischer Zeit in der Region lebten. Übersetzt bedeutet es „gefülltes Teil“.

Geschichte: Archäologen haben herausgefunden, dass die Pipiles schon vor über 2.000 Jahren in der Lage waren, Pupusas zu produzieren. Die von Vulkanen durchzogene Gegend bot alles, was man braucht: rauen Basalt zur Herstellung von Mahlsteinen, auf denen Maiskörner zu Mehl verarbeitet wurden. Und feuchte, schwere Böden, aus deren Lehm der Comal gebrannt wurde: große, runde Tonscheiben, auf denen auf offenem Feuer Pupusas ausgebacken wurden. Auf dem Land macht man das bisweilen noch heute so. In der Stadt wurde der Comal aber längst von der mit Gas befeuerten Eisenplatte verdrängt

Verwandte: In Mexiko genießt man Gorditas, die für gewöhnlich an einem Ende aufgeschnitten sind. In Venezuela macht man Arepas, die einem Hamburger gleich angerichtet werden. In Costa Rica wiederum nimmt man einfach zwei frittierte Tortillas und füllt Käse dazwischen. In den USA wiederum werden Pupusas auch tiefgefroren im Supermarkt verkauft.

AUS SAN SALVADOR CECIBEL ROMERO

Der Name der Speise weckt nicht gerade appetitliche Assoziationen: Pupusas – wer will so etwas schon essen? Auch der tatsächliche Verzehr des Fladens kostet Ungeübte Überwindung: Eine Pupusa ist rund und heiß und fettig – und doch isst man sie mit bloßen Händen.

Pupusas sind dicke Maisfladen, ein bisschen größer als ein Handteller und traditionell gefüllt mit Käse, frittierter Schweineschwarte oder Mus aus roten Bohnen. Oder mit einer Mischung aus allem.

In El Salvador findet man die Speise überall: in Parks, in Schulen und Universitäten, in Fabriken, an Straßenständen. Natürlich in Pupuserías, den Imbissen, in denen sie hergestellt werden, aber auch auf der Speisekarte von noblen Hotels. Pupusas sind in El Salvador ein Grundnahrungsmittel, ungeachtet der sozialen Stellung der Esser. Präsidenten ordern Pupusas genauso wie Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Müllsammeln verdienen. Sie sind die Nationalspeise. Wer nie Pupusas gegessen hat, war nie in El Salvador.

Pupuserías sind in aller Regel bescheidene Orte. Ein paar grobe Holztische und Bänke, ein Wellblechdach gegen die Wolkenbrüche der tropischen Regenzeit und eine mit Gas erhitzte Eisenplatte, auf der die Maisfladen ausgebacken werden. Besteck können sich die Betreiber sparen. Auf den Tischen stehen nur zwei Kübel, meist aus Plastik. Einer enthält eine dünne Tomatensoße, der andere Krautsalat mit Zwiebelringen und grüner Paprika, eingelegt in Ananas-Essig. Steht dieser Salat schon ein paar Tage auf dem Tisch, kann er in europäischen Verdauungstrakten Turbulenzen verursachen.

Das Essen einer Pupusa geht so: Man fasst das heiße Teil mit den spitzen Fingern beider Hände an, reißt es in zwei Teile, belädt eines mit Tomatensoße und Krautsalat und führt es dann zum Mund. Bei Salvadorianern sieht das fast spielerisch aus. Gäste des Landes dagegen verlieren beim ersten Versuch auf dem Weg vom Teller zum Mund mindestens die Hälfte der Ladung und haben nach drei Pupusas nicht nur fettige Hände bis zum Ellbogen, sondern auch ein verkleckertes Hemd und Flecken auf der Hose. Einheimischen genügen nach einer Mahlzeit ein paar Papierservietten.

In der traditionellen Küche Mittelamerikas, von Mexiko bis Costa Rica, ist Mais das Grundnahrungsmittel schlechthin. Zu jeder Mahlzeit gehört die Tortilla, ein dünner Fladen aus Maismehl. Auf die Idee, diese Fladen dicker zu machen und zu füllen, sind nur Salvadorianer gekommen.

Sie habe schon befürchtet, dass die Ketten der Hühnchenfrittierer, der Pizzaservices und der Hamburgerbräter die Pupusa vom Fastfood-Speisezettel verdrängen würden, sagt Francisca Abigail Romero, die in einem Naherholungsgebiet oberhalb der Hauptstadt San Salvador eine der größten und bekanntesten Pupuserías betreibt. Aber nein, es bleibe dabei: „Ein Salvadorianer, der keine Pupusas isst, ist kein Salvadorianer.“

Vor 38 Jahren hat Romero mit einer kleinen Pupusa-Bude angefangen.

Heute beschäftigt sie vierzig Angestellte und kann an ihren langen Tischen bis zu dreihundert Gäste gleichzeitig verköstigen. Ein Teil der Attraktion dieser Mahlzeit sei sicher der Preis, meint sie. Eine Pupusa kostet – je nach Größe und Füllung – umgerechnet zwischen 25 und 75 Cent. Drei Pupusas machen einen Menschen satt. Ein anderer Teil ist die Atmosphäre: Pupuserías sind keine sterilen klimatisierten Fritten-Salons wie die Lokale von McDonald’s oder Burger King, sondern gesellige rustikale Orte.

Zur Atmosphäre gehört die Geräuschkulisse: klatschende Frauenhände. Es sind fast ausschließlich Frauen, die Pupusas fabrizieren. Aus einer Hand voll klebriger Maismehlmasse formen sie eine kreisrunde Scheibe zwischen ihren ineinandergeschlagenen Händen. In die Mitte wird die Füllung gehäuft. Außer den traditionellen Zutaten Schwarte, Käse oder Bohnen gibt es neuerdings auch Pupusas mit Kürbis, Pilzen, Schinken, Hühnchen, Fisch oder Shrimps. Und natürlich mit Loroco, einer weißen Blüte, die klein geschnitten wird und im Geschmack an Knoblauch erinnert.

Goldgelb ausbacken

Die Maismehlscheibe wird wie ein kleines Säckchen um die Füllung gelegt und verschlossen. Dann wird noch einmal eine Runde geklatscht – fertig ist die Pupusa. Sie muss nur noch auf dem heißen, eingefetteten Blech goldgelb ausgebacken werden.

Was danach serviert wird, könnte man schlicht für traditionelles Fastfood halten. Aber es ist viel mehr. Es ist Teil der nationalen Identität. Als vor zehn Jahren Zentralamerika und die USA einen Freihandelsvertrag aushandelten, versuchte die salvadorianische Regierung vergeblich, für Pupusas einen besonders niedrigen Zollsatz zu erreichen. Trotzdem werden täglich Tausende von Pupusas vakuumverpackt in die USA exportiert. Denn jenes Drittel der Bevölkerung El Salvadors, das in den USA lebt und (meist illegal) arbeitet, verlangt nach einem Bissen Heimat.

Dort in der Heimat hat das Parlament im Jahr 2005 sogar den „Nationalen Tag der Pupusa“ ausgerufen: immer der zweite Sonntag im November. Es wäre nicht nötig gewesen. Sonntags gehen Salvadorianer am Abend ohnehin in die Pupusería.