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Archiv-Artikel

Ein Falke steigt auf

WAHLKAMPF Hillary Clinton weiß noch nicht, ob sie Präsidentin werden will. Zur Bewerbung veröffentlicht sie aber schon mal ein Buch – und macht ein globales Ereignis daraus

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Wie organisiert frau eine Bewerbung für die US-Präsidentschaft, ohne es laut zu sagen? Auf diese Frage antwortet Hillary Clinton mit einer professionell organisierten Kampagne: Sie hat ihren Job als Außenministerin an den Nagel gehängt, sie hält Vorträge (für 200.000 Dollar pro Auftritt), sie sammelt Spenden in mehrstelliger Millionenhöhe, sie gründet ein Unterstützerkomitee, sie schreibt ein Buch über ihre vier Jahre im US-Außenministerium, sie macht dessen Erscheinen zu einem globalen Medienereignis.

Die Tour, die bei den Wahlen im Jahr 2016 eine zweite Clinton ins Weiße Haus bringen könnte, beginnt an diesem Dienstag. Dann kommt „Entscheidungen“ – so der deutsche Titel des rund 600 Seiten dicken Textes – weltweit in die Buchläden und die 66-jährige Clinton beginnt ihre öffentlichen Auftritte in nordamerikanischen Großstädten. Der US-amerikanische Titel, der unter einem schmeichelhaften Schwarzweißfoto von Clinton prangt, klingt dramatischer: „Hard Choices“. Erst ganz zum Schluss kommt darin die Frage, die das Buch interessant macht. „Will ich kandidieren?“, schreibt Clinton. Und antwortet: „Meine Entscheidung ist noch nicht gefallen.“

Ausgewählte Medien haben vor Erscheinen des Buches kleine Kostproben bekommen. Dem Lifestylemagazin Vogue gab Clinton ein Kapitel, in dem es über ihre Gefühle zu den Frauen in der Generation vor und nach ihr geht: ihre kürzlich verstorbene Mutter und ihre Tochter Chelsea, die im Herbst ein Baby erwartet. Dem konservativen Blatt Politico gewährte sie Einblick in ihr Kapitel über Bengasi. Darin versucht sie die konservative Kampagne seit dem Überfall vom 11. September 2012 zu entkräften, bei dem der US-Botschafter in Libyen und drei weitere US-Amerikaner ums Leben kamen. Clinton nennt es die „Manipulation einer Tragödie“. Dem Klatschmagazin People verrät sie, dass die 15 Jahre zurückliegende Affäre ihres Mannes Bill mit der Praktikantin Monica Lewinsky für sie kein Thema mehr ist. Und im Fernsehsender ABC sagt sie lachend: „Meine Gesundheit ist gut. Danke.“ Nachdem der republikanische Stratege Karl Rove öffentlich Zweifel an ihrer Gesundheit geäußert und von möglichen Hirnkomplikationen durch einen Sturz gesprochen hat, versucht sie, erst recht Stärke zu beweisen.

In Clintons politischer Karriere hat es viele Tiefpunkte gegeben. Zum Beispiel, als ihr Versuch scheiterte, als First Lady eine Gesundheitsreform zu organisieren. Doch der Tiefpunkt war erreicht, als Clinton Ende 2002 als Senatorin für den Irakkrieg stimmte. Ein paar Jahre später, im Vorwahlkampf 2008, ist jenes Votum der wichtigste einzelne Grund, weshalb sie sich nicht als Kandidatin gegen Obama durchsetzen kann. Er war beizeiten gegen die Invasion.

Schmerzhafter Fehler

Mit elf Jahren Verspätung schreibt Clinton nun in ihrem Buch, dass ihr Irak-Votum ein „schmerzhafter Fehler“ gewesen sei. Zugleich macht sie klar, dass sie als Außenministerin in Fragen der Nationalen Sicherheit oft schärfer vorgehen wollte als Präsident Obama. Clinton bezweifelt, dass der Iran verhandlungsbereit ist. Sie fand Obamas anfängliche Kritik an der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten zu scharf. Sie warnt den Präsidenten vor einer engen Beziehung zu Putin. Und sie schreibt in ihrem Buch, wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten die USA die syrischen Rebellen bewaffnet.

Clinton war ein Falke bei zahlreichen außenpolitischen Entscheidungen der Obama-Regierung. Sie stand auf freundlichem Fuß mit der Mineralölindustrie. Und sie hat – auch als Mitglied des Aufsichtsrats von Walmart – keinen Finger für Rechte von Beschäftigten am Arbeitsplatz gekrümmt. Doch seit sie im inoffiziellen Wahlkampf ist, braucht sie auch die linke Basis. Bei einem Auftritt vor der New America Foundation im Mai verlangt sie Schritte gegen die „wachsende soziale Ungleichheit“.

Für die Demokratische Partei ist die Entscheidung, vor der Clinton sich noch ziert, bereits gefallen. 60 Prozent der Parteimitglieder sehen sie als Präsidentin. Als zweite Clinton nach zwei Bushs.

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