piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Bussi-Bussi-Gesellschaft

FERNBUSSE Der Senat will den Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) ausbauen, weil die Fahrgastzahlen dramatisch steigen. Doch das dürfte das Problem nicht dauerhaft lösen

Linienbusse ermög- lichen das Reisen für Menschen mit wenig Geld

VON SEBASTIAN HEISER

Der Zentrale Omnibus-Bahnhof platzt aus allen Nähten: Durch die Liberalisierung des Fernbusverkehrs vor eineinhalb Jahren hat sich die Zahl der An- und Abfahrten verdoppelt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will auf dem Gelände zusätzliche Haltestellen bauen. Doch das wird kaum reichen, um den Ansturm zu bewältigen. Busunternehmer suchen sich daher auch alternative Abfahr-Orte.

Der ZOB liegt in der Nähe des Funkturms und somit verkehrsgünstig zur Avus. Das Gelände wurde 1966 eröffnet und seither nicht wesentlich renoviert. An den 35 Haltestellen gab es bis zum Jahr 2012 jährlich rund 65.000 An- und Abfahrten. Der vorher stark reglementierte Fernbusverkehr wurde zum 1. Januar 2013 geöffnet. In den ersten zwölf Monaten stieg der Verkehr auf 99.000 An- und Abfahrten – und für dieses Jahr werden mindestens 150.000 erwartet. Im März dieses Jahres entfielen zwei Drittel der Fahrten auf die jungen Unternehmen MeinFernbus, FlixBus und ADAC Postbus.

Jetzt soll das Gelände um neue Haltestellen erweitert werden. Im Landeshaushalt sind für den Umbau 1,2 Millionen Euro für dieses Jahr und weitere 2 Millionen Euro für nächstes Jahr vorgesehen. Um den Andrang der Busse etwas zu verteilen, müssen die Unternehmen seit März einen „Aufschlag für Premiumzeiten“ bezahlen. Während es normalerweise 13 Euro kostet, einmal eine Busladung voller Fahrgäste rauszulassen und neue aufzunehmen, wird seitdem von 6 bis 9 Uhr und von 17 bis 22 Uhr ein Aufschlag von 2,50 Euro fällig. Die Einnahmen fließen an eine BVG-Tochtergesellschaft, die den Busbahnhof betreibt und mit dem Geld Personal und Unterhalt bezahlt. Die Linienbusunternehmen weichen zunehmend auf andere Standorte aus – sie nehmen jetzt auch Fahrgäste am Südkreuz, am Alexanderplatz, am Ostbahnhof auf und an den beiden Flughäfen.

Der Markt für nationale Fernbuslinien war jahrzehntelang streng reguliert, um die Deutsche Bahn vor Konkurrenz zu schützen. Inzwischen gibt es mehr als 220 Linienverbindungen. Experten rechnen aber damit, dass auch wieder Anbieter vom Markt verschwinden werden. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer sieht 2014 als Jahr der Entscheidung für das Potenzial des neu entstandenen Marktes.

Die Befürchtung, eine Liberalisierung des Fernbusverkehrs schade der Deutschen Bahn, hat sich übrigens nicht bewahrheitet. Die Zahl ihrer Passagiere stieg im Jahr 2013 um gut 2 Prozent auf einen neuen Rekordwert von über zwei Milliarden – und das in einem insgesamt schwierigen Reisemarkt mit sinkenden Fluggastzahlen und zurückgehenden Autoverkäufen. Der Busreiseverkehr scheint damit weniger eine Konkurrenz zur Bahn zu sein, sondern neue Zielgruppen anzusprechen und insbesondere Menschen mit wenig Geld das Reisen zu ermöglichen. Linienbusse sind im Vergleich zur Bahn langsamer und weniger komfortabel, dafür aber auch billiger.