„Eine Bürgerrechtspartei sind wir von Anfang an gewesen“

GRÜNE Landeschefin Jarasch sieht keinen Grund für Kurswechsel, um frühere FDP-Wähler abzugreifen

■ 45, ist seit 2011 neben Daniel Wesener Co-Landesvorsitzende der Berliner Grünen und gehört seit vergangenem Herbst dem sechsköpfigen Bundesvorstand ihrer Partei an.

taz: Frau Jarasch, die Grünen sollen liberal und Auffangbecken für heimatlos gewordene FDP-Wähler werden, haben jetzt führende Parteifreunde von Ihnen aus anderen Bundesländern gefordert. Wollen das auch die Berliner Grünen?

Bettina Jarasch: Wenn jetzt FDP-Wähler in Berlin und anderswo eine neue Heimat suchen, dann sind sie herzlich willkommen bei uns. Aber die Frage ist: Was soll es bei der FDP zu erben geben? Eine Bürgerrechtspartei sind wir von Anfang an gewesen und eine neoliberale Wirtschaftspolitik wollen wir nicht erben.

Das heißt, Sie sind schon das, was vor allem der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir jetzt gefordert hat? Braucht es gar keinen Kurswechsel?

Ich glaube, dass es bei uns genügend Anknüpfungspunkte für FDP-Wähler gibt. Dafür müssen wir nicht neue Themen besetzen.

Ihr bayerischer Landeschef-Kollege Dieter Janecek fordert, die Grünen sollten nach dem Abgang der FDP „endlich konsequent für echten Wettbewerb eintreten“.

Im Gegensatz zur FDP glauben wir, dass Wettbewerb klare Regeln und Leitplanken braucht. Das ist eine ordoliberale Grundhaltung, und dafür stehen wir. Wenn man es ausdrücken will wie Herr Janecek, kann man sagen: Wir wollen Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen.

Die Idee mit dem Auffangbecken ließe sich ja dahingehend ausweiten, dass die Grünen nicht nur ehemalige FDP-Wähler abgreifen, sondern auch Exmitglieder aufnehmen. Ginge das zwischenmenschlich überhaupt?

(lacht) Ich komme ja selbst aus einer Familie mit FDP-Wählern, und ich liebe meine Familie. Das lässt sich alles machen, wenn man das Herz auf dem rechten Fleck hat.

In Berlin tönt die CDU gerade so laut gegen ihren aktuellen Koalitionspartner SPD, dass man meinen könnte, sie hätte einen geheimen Pakt mit den Grünen in der Hinterhand. Können Sie das ausschließen?

Ich glaube, dass die CDU bloß allmählich aufgewacht ist und merkt, dass sie sich da keinen ganz einfachen Koalitionspartner eingehandelt hat. Und das muss jeder wissen, der in Berlin mit einer sehr machtverwöhnten SPD koaliert.

Das beantwortet jetzt nicht unbedingt die Frage. Umso mehr, weil etwa in der mit dem Tempelhofer Feld aktuell so zentralen Stadtentwicklungspolitik Grüne und CDU sich viel näher scheinen als Grüne und Sozialdemokraten.

Natürlich haben wir Berührungspunkte auch mit anderen Parteien als der SPD. Aber daraus wird noch lange kein Pakt mit der CDU.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI