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Archiv-Artikel

Wir zahlen nicht für euren Müll!

Ab dem 14. Juni rufen das Münchner Umweltinstitut und .ausgestrahlt zu bundesweiten Aktionstagen gegen eine „Bad Bank“ für Atomkraftwerke auf

Aktionstage ab dem 14. 6.

■  Gemeinsam mit dem Umweltinstitut werden Unterschriften gegen die „Bad Bank“ gesammelt. Das Bündnis .ausgestrahlt versorgt Aktive und Interessierte mit kostenfreiem Informationsmaterial und Hintergrundinformationen. Die Aktionstage brauchen das zivile Engagement von Freiwilligen. ■  .ausgestrahlt unterstützt deshalb Atomkraftgegner*innen darin, aus ihrer Haltung öffentlichen Protest zu machen. Im Netz: ausgestrahlt.de atomausstieg-selber-machen.de

Der Deal klingt verlockend: 36 Milliarden Euro Startkapital für eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die sich um den Rückbau der Atomkraftwerke in Deutschland kümmert. Die Analogie zu „geretteten“ Banken in finanzieller Schieflage ließ in Börsenkreisen den Begriff „Bad Banks für AKWs“ entstehen.

Das Geld, um das es hier geht, mussten die Energie erzeugenden Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW für die Finanzierung der Maßnahmen nach endgültiger Stilllegung ihrer AKWs über die Jahre beiseitelegen. Dass diese Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds übergehen, hatten Atomkraftgegner*innen wie die Aktiven von .ausgestrahlt seit Langem gefordert – kritisieren nun aber den Plan aufs Heftigste und rufen auf, sich am bundesweiten Protest dagegen zu beteiligen. Warum?

Zusätzlich zur Stiftung ihrer gesammelten Rücklagen würden die Konzerne sowohl ihre Schadenersatzklagen gegen das Aus von acht Atommeilern nach Fukushima als auch ihre Klagen gegen die Brennelementesteuer zurückziehen; die Streitwerte dieser Klagen summieren sich auf 15 Milliarden Euro. Die verbliebenen neun AKWs würden dem Staat geschenkt.

Der Haken: Eon, RWE und EnBW erwarten dafür im Gegenzug ihre Entlassung aus aller Verantwortung für den Rückbau und die Lagerung des von ihnen produzierten Atommülls und damit nicht weniger als eine Garantie, nicht weiter zur Kasse gebeten zu werden – unabhängig von den tatsächlichen Kosten, die Rückbau und Lagerung verschlingen könnten.

Mit Errichtung der Stiftung sollen also alle weiteren Verbindlichkeiten aus dem Stiftungsvermögen gezahlt werden. Genau das hatte der Vorschlag von Atomkraftgegner*innen nicht vorgesehen – die Verantwortung der Konzerne sollte weiterhin bestehen.

So mahnt auch Jochen Stay, Pressesprecher von .ausgestrahlt, die Langfristigkeit der Verpflichtungen keinesfalls außer Acht zu lassen: „Auch in 200 Jahren, wenn RWE längst Geschichte ist, wird es diesen Atommüll noch geben. Die Kosten werden am Ende am Staat hängenbleiben, die Frage ist nur, ab wann und wie viel.“

Die von den Energieversorgern angestrebte Lösung mutet an, als miete man eine Wohnung, zahle einige hundert Euro Kaution und ginge dann davon aus, jegliche denkbare Verwüstung des Wohnraums sei von diesem Betrag gedeckt – und wenn man sie atomar verstrahlt hinterließe.

Ursprünglich wurde die Überführung der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds von Atomkraftgegner*innen gefordert, da die Konzerne mit dem Vermögen – welches sie durch Aufschläge auf die Strompreise einnahmen – gegenwärtig noch Gewinne erwirtschaften. Ein weiterer Grund war die Sorge, das Geld könne bis zum Tag der Fälligkeit verloren gehen – aufgrund einer Insolvenz zum Beispiel. Unrealistisch ist das nicht: Vattenfall ist seit 2011 nur noch als GmbH – als Gesellschaft mit beschränkter Haftung – auf dem deutschen Energiemarkt aktiv. Wäre das Kapital dieser Gesellschaft einmal verbraucht, gäbe es dort nichts mehr zu holen, denn die Haftung reicht nicht mehr bis zum Mutterkonzern, der schwedischen Vattenfall AB.

Und welche Rolle spielt die Ankündigung der Energiekonzerne, ihre Klagen zurückzuziehen? Jochen Stay vermutet: „Schäuble will einen ausgeglichenen Bundeshaushalt in den nächsten zwei, drei Jahren. Dafür könnte er bereit sein, langfristige finanzielle Verpflichtungen des Staats in Form der ‚Bad Banks‘ für AKWs in Kauf zu nehmen.“

Es ist also zu befürchten, dass die Politik zugunsten kurzfristiger Vorteile auf den Ablasshandel mit den AKW-Betreibern eingehen wird, auch wenn der Staat am Ende draufzahlt. Deshalb fordert .ausgestrahlt auch mindestens ein deutliches Mehr an Transparenz der Arbeit der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, umgangssprachlich Endlager-Kommission oder Atommüll-Kommission. Denn trotz der immensen Bedeutung der dort stattfindenden Verhandlungen finden kaum Informationen ihren Weg an die Öffentlichkeit. Grundsätzlich wäre allerdings eine völlig andere personelle Zusammensetzung mit anderem Auftrag und anderen Entscheidungsverfahren wünschenswert.

Um einen fairen Verantwortungstausch zwischen Energieerzeugern und Staat scheint es sich bei dem geplanten „Bad Bank“-Deal nicht zu handeln. Es sieht vielmehr nach dem Prinzip der Vergesellschaftung von Kosten aus. An der Börse wurden die Gerüchte um „Bad Banks“ dementsprechend erwartungsvoll aufgenommen: Die Aktienkurse von Eon und RWE stiegen, nachdem sie zuvor 30 Prozent Kursverlust zu verzeichnen hatten.

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