: Wege zum Kommunismus
DOKUMENTATION Alle diese Wege führen, wenn nicht nach Rom, so doch nach Italien. Dort haben der Berliner Regisseur Farhad Payar und seine Kollegin Yasmin Khalifa „Zum Beispiel Montaretto“ gefunden, ein Dorf, dessen 200 Einwohner alle Kommunisten sind
Oft geht die Sehnsucht nach Italien, Goethe etc. Die Lebensreformer zog es zur Jahrhundertwende an den Monte Verità, die Linken der 70er Jahre waren mit den Kämpfen der italienischen Anarchisten vertraut, viele Linksalternative fanden in der Toskana ihre Wahlheimat.
Das an einem pinienbewachsenen Steilhang der italienischen Riviera gelegene Dorf Montaretto wurde früher „Klein-Russland“ genannt, da alle hier Kommunisten sind. Auch heute schert man sich hier wenig um die Sperenzien der schurkischen Zentralregierung. Lebensfroh und unbeugsam macht man hier sein eignes Ding.
Der aus dem Iran stammende Berliner Regisseur Farhad Payar und seine Kollegin Yasmin Khalifa porträtieren das widerständige Dorf in ihrem Film „Zum Beispiel Montaretto“.
Die meist älteren Bewohner erzählen in malerischer Umgebung: „Wir glauben hier noch stark an diese Idee (des Kommunismus)“, oder auch: „Ich glaube an den Kommunismus italienischer Ausprägung“, während ein alter Mann weiß, dass nur zwei Dinge die Verwirklichung des Kommunismus behindern: „das Geld und die Frauen“.
Ein junges Mädchen mit Kiffer-T-Shirt sagt, sie könne nicht so genau erklären, was Kommunismus sei. Man denkt darüber nach, ob es den gelebten Kommunismus schon vor seiner Theorie gab. Zwischendurch sieht man Kinder Fußball spielen und es gibt in malerischer Räumen nostalgisch anmutende Hammer-und-Sichel-Fahnen und -Embleme.
Konkreter erzählt eine Frau von gelebter Völkerfreundschaft: dass man in gemeinschaftlich und unentgeltlich von den Bewohnern gebauten Häusern alljährlich Kinder aus Kriegsgebieten beherbergen würde und wie viel man dabei lernen würde. Es geht kurz um die alternative Weinmesse „Critical Wine“, und der Jazztrompeter Johannes Faber, der zuweilen auch mit Konstantin Wecker musiziert und seit 46 Jahren hier lebt, spricht von praktisch gelebter Nächstenliebe. Wo sich in anderen Orten alles um die Kirche dreht, steht hier das „Haus des Volkes“ der Kommunisten im Mittelpunkt. In jedem Zimmer einer Pension hängen Friedensfahnen. Auch der Priester schätzt seine kommunistischen Schäfchen. Und die zufällig vorbeikommenden Touristen aus Kanada sind baff.
Alles scheint wunderbar zu sein, die Leute, die ihre Autos nicht abschießen, weil sie einander vertrauen, die Landschaft, die schönen Terrassen mit Blick aufs Meer. Mit durchgehend heiterer Folkloremusik und sehr schönen, sparsam eingesetzten Animationen kommt der Film daher. Im letzten Drittel können die befragten Bewohner auch nichts Schlechtes über die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs erzählen. Das scheint den Regisseuren dann doch zu viel der Harmonie und sie berichten teils mit Archivmaterial von Kriegsverbrechen der Wehrmacht, die 180 Kilometer weiter auf der Suche nach Partisanen mehr als 500 Bewohner erschossen hatten. Mit aller Ambivalenz könnt man sagen: Der Film macht große Lust, in Montaretto seinen Urlaub zu verbringen.
DETLEF KUHLBRODT
■ Hackesche Höfe, tägl. 18.30 Uhr; www.montaretto-film.de