Aus jeder Kreuzigung wächst doch auch ein Lied. Bernhard Eder und Eric Eckhart kennen sich aus mit diesem Geschäft

Entgegen anders lautenden Gerüchten ist die größte Geißel der Menschheit weder die Pest noch die Religion. Auch nicht ein gewisser Attila, jedenfalls nicht er allein, sondern ganz allgemein: der junge Mann. Der führt gern mal einen Krieg, weiß oft nicht, wohin mit sich, oder, fast noch schlimmer, zieht sich kurze Hosen an und macht irgendwas mit Bällen, nur um der Welt seine frisch behaarten Beine vorführen zu können. Daran sind gewisse biochemische Prozesse schuld, aber immer wieder, und zum großen Glück für den Rest der Welt, kanalisiert der junge Mann seinen Hormonüberschuss in künstlerische Aktivitäten. Dann singt der junge Mann, der in diesem Fall Bernhard Eder heißt, darüber, wie sein Kopf zu explodieren droht, wie die Dämonen über seinem Kopf schweben, wie andere, böse Menschen ihn zu kreuzigen versuchen und davon, wie er blutet, also zumindest metaphorisch. Solche Sachen singt Eder mit einerseits unaufgeregter, andererseits unheilschwangerer Stimme, deren verhaltenes Tremolo eine gewisse Bedeutungsschwere suggerieren soll, die schon der Album-Titel „To Disapear Doesn’t Mean To Run Away“ nahelegt.

Dazu wird eine akustische Gitarre gezupft, ein akustischer Bass steuert alle paar Minuten einen sehr tiefen Ton bei und eine Geige verbreitet sich elegisch. Überhaupt hat der Wiener Eder, der sich seine Zeit aufteilt zwischen seiner Heimatstadt und Berlin, seinen bereits auf zwei ebenfalls ziemlich melancholischen Alben ausgebreiteten Singer/Songwriter-Entwurf noch einmal musikalisch ausdifferenziert. Nun durchbricht schon mal eine Trompete den Trübsinn, ein Glockenspiel sorgt für eine gewisse Leichtigkeit und manche Melodie scheint gar ausbüxen zu wollen aus dem aus Schwermut gestrickten Korsett. Solche Brüche sind es, die Bernhard Eders Lieder dann doch ziemlich interessant machen, weil sie der allzu dick aufgetragenen Emotionalität zumindest für Momente ihre niederdrückende Schwere nehmen.

Weitgehend ohne solche Brüche kommt Eric Eckhart aus, aber er drückt auf „This Is Where It Starts“ auch von vornherein nicht so auf die Tränendrüse. Der Amerikaner ist ein klassischer Songwriter, der davon singt, dass die Wahrheit nicht lügt oder auf dem Herzen ein dunkler Schatten liegt. Allerdings versucht er, dem Genre mit Melone auf dem Kopf und Weste überm weißen Hemd zumindest äußerlich einen gewissen Glamour abzutrotzen, und seine Band kommt mitunter ganz schön ins Rocken. Wie viele andere Berlin-Exilanten hat er sein Album in den ehemaligen Studios des DDR-Rundfunks in der Nalepastraße aufgenommen. Zu hören ist das allerdings nicht, „This Is Where It Starts“ klingt kein bisschen nach Ostalgie, trotzdem aber ein wenig angestaubt: Diese Song hätten auch in einer Garage in, sagen wir mal, West-Virginia, eingespielt werden können.

Dort hat es Eckhart nicht gehalten, als er sich nach einer Lebenskrise auf Reisen begab. Seitdem wühlt er – ebenso wie Bernhard Eder – beständig in den emotionalen Abgründen, in denen sich junge Männer eben so herumtreiben. THOMAS WINKLER

■ Bernhard Eder: „To Disapear Doesn’t Mean To Run Away“ (Solaris Empire/Broken Silence), Record Release Party 21. 1. Roter Salon

■ Eric Eckhart: „This Is Where It Starts“ (A Headful Of Bees/New Music Distribution)