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Archiv-Artikel

Die Stopptaste drücken

Erfrischender als After Eight: Christoph Tannert verschafft uns einen Überblick über das Phänomen des „New German Painting“ – mit vielen Fakten und guten Argumenten

Die derzeit heißeste Lizenz, als Künstler groß herauszukommen, nennt sich „New German Painting“. Christoph Tannerts gleichnamige Darstellung des Phänomens wäre nun nur halb so gut, würde man sich nicht zwischendurch ganz schön einen grinsen. „Diese Malerei wirkt hell, leicht und klar, atmosphärisch erfrischend wie ein After Eight nach der hofnärrischen Völlerei der 80er Jahre“. Ich weiß nicht, After Eight? Erfrischend? Kennt Christoph Tannert, 1955 in Leipzig geboren und seit 1991 Projektleiter beziehungsweise Geschäftsführer des Berliner Künstlerhauses Bethanien, England’s finest mint inzwischen nicht lange genug, um zu wissen, dass nichts süßlicher und fader schmeckt als After Eight?

Aber flöge man nicht ab und zu zusammen mit dem Autor des Kompendiums, das natürlich ein „Remix“ ist, aus der Kurve – seine Analyse des Malereibooms verschwände allzu leicht hinter der massiven Anmache. Prinzipiell sieht Tannert die neue Malerei in direkter Auseinandersetzung mit der Bilderindustrie der Mediengesellschaft positioniert; als eine kritische Reaktion, da sie den unaufhörlich zirkulierenden Bilderstrom stilllegt und widerständig auf „die Stopptaste“ drückt.

Schönerweise lässt sich die These am Material diskutieren, denn das Werk der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler wird auf jeweils sechs Seiten präsentiert. Neben Angaben zur Biografie, zu Ausstellungen, Stipendien und Preisen sowie einer kurzen Würdigung des bisherigen Werks gibt es also viel Raum für ihre Bilder. Natürlich sind die Stars vertreten, Neo Rauch, Daniel Richter, Katharina Grosse oder Corinne Wasmuth, aber daneben werden – etwa mit Johannes Kahrs, Daniela Brahm oder Kerstin Drechsel – wichtige Positionen aus dem Hintergrund nach vorne gerückt.

Mit dem Essay des Harvard-Kunsthistorikers Graham Bader bezieht Tannert klug auch die Außenperspektive mit ein. Zwangsläufig geht es um die Sicht aus den USA, schließlich boomte die deutsche Malerei dort früher und stärker als in Deutschland selbst. Das erinnert an den Achtzigerjahrewirbel um die „Neuen Wilden“. Doch diesen naheliegenden Vergleich lehnt Tannert mit nachvollziehbaren Argumenten ab. In seinem faktenreichen Überblick zeichnen sich tatsächlich andere Perspektiven für die neue deutsche Malerei ab.

BRIGITTE WERNEBURG

„New German Painting“. Herausgegeben von Christoph Tannert. Prestel Verlag München 2006, 256 Seiten, 210 Farb- und 30 Schwarzweißabbildungen, 49,95 Euro