: „NRW-Schüler haben weniger Unterricht“
Der Duisburger Forscher Klaus Klemm sagt, das Land gebe 40 Prozent weniger Geld für Bildung aus als Schweden
taz: Herr Klemm, Nordrhein-Westfalen gibt weniger für seine Schüler und Studenten aus als andere Bundesländer. Gibt es dafür eine Erklärung?
Klaus Klemm: Nordrhein-Westfalens Finanzkraft ist schwächer als die anderer Bundesländer, das liegt an der hohen Arbeitslosigkeit und am geringen Wirtschaftswachstum.
Wie bekommen die SchülerInnen in NRW die geringen Ausgaben zu spüren?
Markant ist, dass die Schüler in Nordrhein-Westfalen weniger Unterrichtsstunden haben als in anderen Bundesländern. Die Kinder und Jugendlichen in NRW kommen nur auf zwei Drittel der Unterrichtsstunden, der Schüler und Schülerinnen in Bayern.
NRW hat bei den vergangenen PISA-Studien schlecht abgeschnitten. Müsste das Land nicht mehr investieren, um an die Spitze zu kommen?
Es gibt keinen Beweis dafür, dass mit mehr Geld auch das Bildungssystem besser wird, mehr Geld ist zumindest keine Garantie für bessere PISA-Ergebnisse. Um das an einem anderen Beispiel zu zeigen: Wenn man mehr Geld in den Hochschulbereich gibt, kann das dazu führen, dass ein paar schicke Prestige-Projekte finanziert werden, führt aber in der Breite nicht zwangsweise zu besseren Studienabschlüssen.
Wie können die PISA-Ergebnisse ohne neue Investitionen verbessert werden?
Ein zukunftsweisendes Projekt ist die selbstständige Schule, die in NRW seit ein paar Jahren erprobt wird. Die Schulen erhalten mehr Entscheidungsfreiheit darüber, wie sie mit den zur Verfügung stehenden Geldern umgehen wollen.
Müssten nicht die Klassen verkleinert werden, um die SchülerInnen besser fördern zu können?
Ich halte davon nichts. Ich würde es für sinnvoller halten, phasenweise in den Klassen eine zweite Lehrkraft einzusetzen – zum Beispiel einen Lehrer oder eine Lehrerin mit Migrationshintergrund, der oder die sich dann der Förderung der Kinder nichtdeutscher Herkunft annehmen könnte.
Auch für eine weitere Lehrkraft müsste man mehr Geld investieren. Aber zurzeit stagnieren die Ausgaben. Wieviel müsste NRW ausgeben, um bei PISA mithalten zu können?
Wie gesagt, das lässt sich schwer sagen. Aber wenn Nordrhein-Westfalen das schwedische Niveau an Bildungsausgaben erreichen wollte, müsste es vierzig Prozent mehr ausgeben als bisher. Das hieße etwa 28 Milliarden jährlich – statt 20 Milliarden Euro wie bisher.
INTERVIEW: NATALIE WIESMANN