: Für Bauherren barrierefrei
Behindertenverbände fordern Recht, ihre Rechte einzuklagen: Die geplante neue Bau-Ordnung böte dafür Gelegenheit, die zementierte Wirklichkeit Anlässe. Nur das Ressort will sie nicht wahrnehmen
von Benno Schirrmeister
Es wird gebaut in Bremen, das ist doch schön, da fließt Geld: Schicke Restaurants in der Überseestadt. Oder Wohnanlagen am Stadtrand für solvente Kleinfamilien mit gesunden Kindern. Damit das noch mehr wird, soll jetzt die Landesbauordnung novelliert werden. Am liebsten noch vor der Bürgerschaftswahl. Ziel: Entbürokratisierung. Möglichst keine Barrieren mehr – für Bauherren.
Bestens? Nicht ganz. Die Behindertenverbände fürchten, dass Neubauten „zunehmend nicht mehr unseren Anforderungen gerecht werden“. Horst Frehe sagt das, der Sprecher von „Selbstbestimmt Leben“. Dieter Stegmann von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe sieht es genauso. Und der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück begründet die Sorge mit einem Beispiel: Die aktuelle Bauordnung gilt seit zweieinhalb Jahren, als Ziel schreibt sie Barrierefreiheit fest. Zugleich aber erleichtert sie Unternehmen, die Wohnungen errichten wollen, das Genehmigungsverfahren: Nur der Architekt muss unterschreiben, dass er die Landesbauordnung einhält. 15 Stichproben habe die Behörde seither in Bremen und Bremerhaven unternommen. „In elf Fällen“, so Steinbrück, sei die Barrierefreiheit „nicht oder nur teilweise eingehalten worden“.
Klar, es waren Bagatellen dabei. Aber halt auch dieses Wohnhaus im Hollergrund. Dort hatte man nicht nur die Rampe vergessen. Da waren auch die Aufzüge zu schmal für Rollstuhlfahrer. Schlimm, schlimm, befand das Bauressort. Eine Nachbesserung? Nein, das wäre unverhältnismäßig. Dafür müssten die Schächte erweitert werden, das wäre zu teuer. „Also wird“, bilanziert Steinbrück, „in diesem Haus niemals ein Rollstuhlfahrer wohnen können.“ Naja, im Parterre jetzt doch, denn eine nicht ganz vorschriftsmäßige Rolli-Auffahrt hat der Bauherr nachgereicht. Im Hollergrund baut die GeWoBa. Das ist ein Unternehmen der Freien Hansestadt Bremen.
„Es gibt“, sagt Frehe, „schon jetzt eine Diskrepanz zwischen Landesbau-Ordnung und Praxis.“ Böser Wille? Nein, so Steinbrück. Es gebe aber mindestens „einen passiven Widerstand“ auf Sachbearbeiter-Ebene. Weil „nicht in den Köpfen verankert“ sei, dass die Barrierefreiheit „integraler Bestandteil“ des Gesetzes ist. Für eine Lösung des Problems wäre die Novelle der Landesbauordnung „eine Chance“, befindet Frehe. Seine Hauptforderungen: Das Gesetz sollte auch für Gewerbebetriebe gelten. Und es müsse ein Verbandsklagerecht festschreiben – um Recht haben und bekommen einander anzugleichen.
Da aber da ist das CDU-geführte Fachressort vor: Barrierefreiheit sei „politisch gewollt“, so Bausenator-Sprecher Holger Bruns. Das Verbandsklagerecht hingegen nicht: „Wir sehen die Notwendigkeit nicht“, versucht er eine Begründung. Das Kontroll-Instrumentarium der Behörde reiche aus. Auch stelle sich ja die Baubranche zunehmend aufs Thema barrierefrei ein. Schließlich steige der Anteil alter Menschen.
Im Café Hudson hat man diesen wachsenden Kundenkreis wohl nur aus Schusseligkeit vergessen: Die Toiletten sind für Rollstuhlfahrer nicht zu benutzen. Ein Raum mit Wasseranschluss, hinter der Küche „und selbstständig von einem Menschen mit Gehbehinderung nicht zu erreichen“, so Stegmann, hat sich dann schließlich doch noch zum Behindertenklo basteln lassen. „Eine Gesetzgebung des guten Willens“, schließt Steinbrück, „das kann es nicht sein.“