PASTA BAR
: Lieblingsimbiss

Es ist zum Regressivwerden schön

Es ist schön, einen Lieblingsimbiss zu haben. Gerade in Zeiten, in denen Essengehen das neue Biertrinken ist. Die wahre Kunst ist es, einen Imbiss zu finden, einen Ort fürs kleine Geld und die kurze Zeitstrecke. Denn Imbisse hat diese Stadt zwar viele, richtig gute sind aber kaum darunter.

Mein neuer Lieblingsimbiss ist eine Ausnahme. Es ist die Pasta Bar in der Oranienstraße. Es ist vorgeblich ein Italiener, der nach Einführungswoche mit echtem italienischen Koch doch nur wieder von unseren Mitbürgern mit Wurzeln in der Türkei betrieben wird. Und normalerweise gilt ja: Italiener machen es besser, Türken haben es nicht drauf. Jedenfalls nicht, was die italienische Küche betrifft. Mit eben dieser einen Ausnahme. Der Pasta Bar.

Man kann sich also Nudeln und Salate bestellen, in diversen Ausformungen, mit diversen Soßen. Dass Pasta in Italien nur eine Vorspeise ist, hat sich nicht weiter herumgesprochen. Hier bekommt man einen kleinen Salat oder zwei Tomatenzwiebelbrote als Amuse-Gueule, das Hirn wird sanft vom Dudelfunk eines Regionalsenders massiert, am Nebentisch sitzt der im Grunde überflüssige Kellner, der im weißen T-Shirt auch mal zum Telefonieren auf die Straße geht, während so mancher Kunde mit Schapka und Kunstpelzmantel über dem dampfenden Teller Fusilli sitzt.

Es ist zum Regressivwerden schön. Es läuft „Substitute“ von Clout. Der Kellner paraphrasiert auf Türkisch die Handlung von „The Tourist“ in sein Handy und erklärt dann auf Deutsch, dass er den Film echt gut fand. Am Schaufenster ziehen die jungen Leute vorbei, die gleich im Schaufenster der Luzia sitzen werden. Ich lese den neuen Pynchon, weil es hier keine Zeitung gibt, nicht mal die B.Z.

Es ist gut, einen Lieblingsimbiss zu haben. Distinktionsgewinn verspricht das zwar nicht, aber das macht nichts. Es ist nur seltsam, dass so wenig los ist hier. RENÉ HAMANN